Recep Tayyip Erdogan hat seinen ärgsten Widersacher Ekrem Imamoglu einfach abgesetzt. Das Amt des obersten Stadtpräsidenten von Istanbul wird jetzt staatlich zwangsverwaltet. Der Vorwurf der terroristischen Machenschaft reicht dazu aus.
Imamoglu, der letztes Jahr mit über 51 Prozent der Stimmen in Istanbul in seine zweite Amtszeit als Stadtpräsident gewählt wurde, soll laut Anklage diesen Sieg durch die Kooperation mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK erlangt haben. Zudem wird dem 54-jährigen ehemaligen Bauunternehmer vorgeworfen, im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen in Korruption und Bestechung verwickelt gewesen zu sein.
Ergebnis der CHP ist bereits Makulatur
Die Untersuchungsrichter schaffen jetzt Fakten – am gleichen Tag, als 1.7 Millionen Mitglieder der Republikanischen Volkspartei CHP dazu aufgerufen waren, Ekrem Imamoglu zu ihrem Spitzenkandidaten bei den nächsten Präsidentschaftswahlen zu ernennen.
Das Ergebnis dieser Vorwahl ist schon jetzt Makulatur. Denn für die Zeit des Gerichtsverfahrens ist der Spitzenkandidat der CHP von allen politischen Ämtern ausgeschlossen.
Für Imamoglu ist es wohl zu spät
Bei den Sozialdemokraten wird man sich ärgern: nicht nur über die eigene Machtlosigkeit. Hunderttausende Demonstrierende, wie am Wochenende allein in Istanbul, können gegen einen repressiven Sicherheitsapparat nichts ausrichten.
In der CHP hadert man aber auch mit sich selbst: Denn bei der letzten Präsidentschaftswahl im Mai 2023 hätte Ekrem Imamoglu gute Chancen gehabt, Recep Tayyip Erdogan zu schlagen. Doch interner Parteizwist führte zu einem anderen, schwächeren Kandidaten.
Ab da plante Wahlsieger Erdogan Zug um Zug, um seinen Gegner schachmatt zu setzen. Wie beim echten Schachspiel weiss der Unterlegene oft erst am Ende, warum er verloren hat. Doch dann ist es meist zu spät.