Noch nie war das EU-Kommissionspräsidium so umkämpft wie nach dieser Europawahl. Weil die grossen Volksparteien ihre gemeinsame Mehrheit im Europäischen Parlament verloren haben, wurde die Besetzung des Vorsitzes im Exekutivorgan der Europäischen Union zu einem Personalpoker.
In der Vergangenheit war klar: Das Kommissionspräsidium steht der grössten Fraktion im EU-Parlament zu. So zog sich der Sozialdemokrat Martin Schulz vor fünf Jahren bereits in der Nacht nach der Europawahl zurück und sicherte dem EVP-Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker die Unterstützung zu.
Wer Nachfolger oder Nachfolgerin von Jean-Claude Juncker werden will, braucht eine doppelte Mehrheit, um den Job zu bekommen: Erst müssen ihn die Staats- und Regierungschefs vorschlagen – das ist heute im Fall von Ursula von der Leyen geschehen. Nun muss noch das EU-Parlament zustimmen.
Das EU-Parlament muss den vorgeschlagenen Kandidaten laut Artikel 17 des EU-Vertrags dann «mit der Mehrheit seiner Mitglieder» wählen. Dies sind bei 751 Parlamentariern mindestens 376 Abgeordnete.
Wird der Kandidat abgelehnt, müssen die Staats- und Regierungschefs dem Parlament «innerhalb eines Monats» einen neuen Kandidaten vorschlagen. Danach stimmen die Abgeordneten erneut ab. Auch hier ist eine Mehrheit der Mandate im Parlament nötig.