«Ich danke allen Bürgern, ob sie mich gewählt haben oder nicht, die dazu beigetragen haben, Geschichte zu schreiben an so einem historischen Tag», sagte Erdogan in einer Ansprache vor Anhängern in Ankara auf dem Balkon des Gebäudes seiner Partei AKP.
«Heute hat nicht nur Recep Tayyip Erdogan gewonnen», fügte der Wahlsieger hinzu. «Heute hat der Wille des Volkes einmal mehr gesiegt. Heute hat die Demokratie einmal mehr gesiegt.»
«Sozialer Versöhnungsprozess»
Der 60-Jährige kündigte einen «neuen sozialen Versöhnungsprozess» an. Alle Türken, ganz gleich welcher Herkunft und welchen Glaubens, sollten gleichberechtigte Bürger sein.
Erdogans Amtseinführung ist für den 28. August geplant. Der Politiker blickt auf das schwierigste Jahr seiner 2003 begonnen Regierungszeit zurück. Doch weder landesweite Proteste noch eine beispiellose Korruptionsaffäre oder internationale Kritik an seinem autoritären Regierungsstil vermochten seine Machtstellung ernsthaft zu gefährden.
Türken im Ausland zurückhaltend
Erste Reaktionen auf Erdogans Erfolg fallen zurückhaltend aus. Die Türkische Gemeinde in Deutschland etwa hat sehr reserviert auf den Sieg von Erdogan reagiert. Wenn Erdogan in seinem neuen Amt nicht einen moderateren Kurs als bislang einschlage, seien massive Auseinandersetzungen in der Türkei zu erwarten, sagte der Bundesvorsitzende Safter Çinar in Berlin.
Manchmal wachsen Menschen mit ihren Ämtern
Bisher habe Erdogan polarisiert, einen autoritären Führungsstil gezeigt und ein gewisses Demokratieverständnis vermissen lassen. Çinar sagte, er habe keine grosse Hoffnung, dass sich das ändere. «Aber manchmal wachsen die Menschen mit ihren Ämtern.» Kritiker befürchten, dass Erdogan als Präsident seine Macht weiter ausbauen und die Islamisierung der Türkei vorantreiben könnte. Çinar sagte, er teile diese Sorgen.
Klare Mehrheit für Erdogan in Deutschland
Mehr als zwei Drittel der Türken in Deutschland haben bei der Präsidentenwahl für Erdogan gestimmt. Der Staatssender TRT berichtete, der islamisch-konservative Regierungschef sei in Deutschland auf fast 69 Prozent der Stimmen gekommen. Sein wichtigster Herausforderer Ekmeleddin Ihsanoglu habe knapp 24 Prozent der Stimmen erlangt. Der dritte Kandidat Selahattin Demirtas sei auf 7,4 Prozent gekommen.
Die rund 2,8 Millionen wahlberechtigten Auslandstürken hatten erstmals ausserhalb der Türkei abstimmen dürfen. Von der Möglichkeit machten weltweit aber nur rund 8,3 Prozent Gebrauch.
Viele der insgesamt 76 Millionen Türken preisen den früheren Bürgermeister von Istanbul als Vater jenes bemerkenswerten Wirtschaftswachstums, mit dem sich die Türkei international grösseres Gewicht verschafft hat. Auch gilt Erdogan gerade dem streng religiösen Mittelstand als Hüter einer islamischen Ordnung, die wichtiger sei als demokratische Freiheiten.