Desinformation spielt in Wahlkämpfen immer wieder eine Rolle, so wurden auch versuchte Einflussnahmen aus Russland auf den deutschen Wahlkampf festgestellt. Der Kommunikationswissenschaftler Christian Hoffmann klärt über Desinformationskampagnen auf.
SRF News: Wie gross ist das Ausmass von Desinformationskampagnen?
Christian Hoffmann: Das Ausmass ist durchaus substanziell. Das hat insbesondere seit dem Ukrainekrieg in den letzten Jahren mit dem Absender Russland deutlich zugenommen. Aber Russland ist nicht der einzige Akteur, der Desinformation in westlichen Demokratien verbreitet. Auch China oder der Iran zum Beispiel fallen immer mal wieder durch solche Kampagnen auf. Nicht alles davon erreicht aber die Bürgerinnen und Bürger.
Was ist generell über die Wirkung von Desinformation in Wahlkämpfen bekannt?
Bei den Bürgerinnen und Bürgern, die wirklich substanzielle Berührungen mit diesen Inhalten haben, da liegt zumeist ein motivierter Konsum zugrunde. Das heisst, sie haben ein bestimmtes Weltbild und suchen sich entsprechende Inhalte, wenden sich also bewusst solchen Inhalten zu. Bei diesen Personen können wir von einer gewissen mobilisierenden Wirkung ausgehen, da sie empört sind und eher an die Urne gehen. Bei Menschen mit einem Weltbild, das in der politischen Mitte verortet ist, hat Desinformation kaum Wirkung.
Kann Desinformation tatsächlich die politische Einstellung und dann auch das Abstimmungsverhalten von Menschen ändern?
Das ist wahnsinnig schwierig. Also wir brauchen schon sehr häufige Exposition und in der Regel eigentlich auch weitere Einflüsse, wie zum Beispiel Menschen im persönlichen Umfeld oder Erschütterungen in der eigenen Biografie, die dann zusammen dazu beitragen, dass jemand sein politisches Weltbild wirklich verändert.
Die indirekten Wirkungen halte ich hingegen schon für durchaus substanziell.
Wenn grundsätzlich die Wirkung von Desinformation auf Wahlresultate kaum oder nur wenig nachweisbar ist, warum betreiben denn derart viel Aufwand für organisierte Desinformation?
Ich würde zwischen direkten und einer indirekten Wirkung dieser Kampagnen unterscheiden. Die direkte ist: Ich setze etwas ins Netz und hoffe, dass Menschen das sehen und dann vielleicht dadurch beeinflusst werden. Nach allem, was wir wissen, sind diese direkten Effekte sehr klein. Die indirekten Wirkungen halte ich hingegen schon für durchaus substanziell. Wir reden sehr viel über die Desinformationskampagnen, insbesondere aus Russland. Das erzeugt nachweisbar Verunsicherungen, Streit und auch Misstrauen gegenüber den Institutionen - gegenüber den Medien, gegenüber Wahlergebnissen.
Spielt es eine Rolle, wer die Quelle von Desinformation ist? Denn in den USA ist es Donald Trump ja durchaus gelungen, einen substanziellen Teil der Bevölkerung davon zu überzeugen, dass ihm 2020 der Wahlsieg gestohlen wurde und der Sturm aufs Kapitol quasi ein normaler Besuchstag im Kongress war.
Ja, absolut. Wir sprachen bisher über ausländische Desinformationen, bei der wir eben sehr beschränkte Wirkungen und auch eine geringe Verbreitung bei den Bürgern beobachten. Aber das ändert sich ganz stark, wenn wir inländische Akteure betrachten, die vor allem auch eine starke mediale Plattform haben. Wenn ein Präsident etwas sagt und das dann in allen Medien verbreitet wird, dann verbreitet sich natürlich auch Fehl-, Miss- und Desinformationen schnell und weit.
Das Gespräch führte Matthias Kündig.