Nach 22 Jahren war Schluss: Silke Butzlaff hatte den ältesten Eimerkettenbagger im Lausitzer Revier als Baggerführerin ein letztes Mal bedient. Ein trauriger Moment. Das Ende des Braunkohletagebaus naht. Alle wissen, es gibt kein Zurück. Damit sei auch die Wertschätzung für ihre Arbeit weg, klagt sie. «Den Bergbau wird es in einigen Jahren nicht mehr geben. Ich möchte erreichen, das in Respekt zu Ende zu bringen.»
Silke Butzlaff will optimistisch bleiben. Doch die Politik hat Vertrauen verspielt: Als der Ausstieg auf 2038 festgelegt war, hiess es plötzlich, er solle «möglichst» schon 2030 kommen. «Das hat völlige Verunsicherung gebracht und einen tiefen Einschnitt gegeben zur Politik».
Komplette Region hängt an der Energiewende
Wo Bagger Wüstenlandschaften hinterlassen, entstehen Naturgebiete und Seen, aber auch Wind- und Solarparks. Geplant ist das grösste Cluster für erneuerbare Energien in Deutschland. Weil ein Braunkohlekraftwerk mehr Strom produziert als Windräder und Solarzellen, sollen moderne Gaskraftwerke die Stromlücken füllen.
Jörg Waniek vom Energiekonzern Leag weiss, es wird viel weniger und andere Jobs geben. Junge würden oft fragen, welche Ausbildung es brauche für die Energiewende, «da würde ich mir wünschen, dass ich klarere Antworten geben könnte».
«Wir wollen eine europäische Modellregion für den Strukturwandel werden», sagt Christine Herntier. Die parteilose Bürgermeisterin von Spremberg ist engagiert. In der Lausitz wollte sie «den Ton mitangeben». 17 Milliarden Euro Strukturhilfe bekommt die Region vom Bund für den Kohleausstieg. Herntier versucht, die Kleinstadt in der strukturschwachen Region attraktiver zu machen.
Der Kohleausstieg sei eine grosse Herausforderung. Aber am wichtigsten sei, «dass es uns gelingt, diesem wahnsinnigen demografischen Wandel etwas entgegenzusetzen».
Eine Generation Frauen fehlt
Nach der Wende 1990 haben fast 90 Prozent der Kohlebeschäftigten in der Lausitz ihre Stelle verloren. Die Jungen gingen, die Bevölkerung schrumpfte um fast ein Drittel. Franziska Stölzel forscht in Weisswasser zum Strukturwandel. Es müsse hier für Junge attraktiver werden. «Der Strukturwandel wird vor allem von Männern über 50 für Rentner aus der Kohle organisiert. Das ist nicht mehr zeitgemäss».
Eine Gesellschaft, der wie hier Frauen fehlten, tendiere zu mehr Gewalt und Rechtsextremismus, zitiert Stölzel eine Studie. Beim Strukturwandel gehe es auch um Gerechtigkeit. Viele würden sich gar nicht engagieren wollen. «Bürgerinnen und Bürger fühlen sich nicht in den Prozess eingebunden, weil sie viele Themen als ungerecht empfinden».
Ein Rapper wirbt für Zuversicht
«Die Wüste lebt, mehr als ihr glaubt», rappt Lars Katzmarek. Er ist Gewerkschafter und Revierbotschafter für Cottbus und wirbt für die Chancen der Transformation. Nicht leicht, bei den vielen Enttäuschten.
Gegen 70'000 Leute hätten nach der Wende ihre gut bezahlten Jobs in der Kohle verloren. «Das ist so dermassen im Kollektivgedächtnis verankert. Da ist eine Leere, die man nicht einfach auffüllt mit ein paar Versprechungen».
Die Versprechen der Politik wurden schon einmal nicht eingehalten. Das nährt die Zweifel, dass es bei dieser Transformation besser wird; eine Wette auf die Zukunft. Optimisten wie Lars Katzmarek gehen sie ein.