SPD, FDP und Grüne übernehmen in «der grössten Krise seit dem zweiten Weltkrieg», wie Noch-Kanzlerin Angela Merkel die Corona-Zeit nennt. Die drei kennen sich noch nicht lange und haben ihren Status erst heute auf «in einer Beziehung» umgestellt. Trotz aller Widerstände und mit viel gutem Willen.
Coronakrise wird die neue Regierung fordern
Klar, in vielem ist man sich einig – oder hat sich zumindest zusammengerauft: Klima, Digitalisierung, Erneuerung, gesellschaftlich und infrastrukturell. «Mehr Fortschritt wagen» klingt schön, historische Anleihe inklusive. Doch die Corona-Krise wird angesichts der Infektionszahlen auch die nächsten Monate dominieren. SPD und Grüne sind für weitere Schritte in Richtung Impfpflicht bereit, die FDP sträubt sich dagegen. Neue Lockdowns, komplizierte Regeln und Auflagen für Geimpfte und Ungeimpfte: Das werden die zentralen Streitpunkte werden – und zwar schon in den ersten Wochen der neuen Regierung. Der Paartherapeut schaut den frisch Vermählten schon im Honeymoon ins Zimmer.
Vor allem für Grüne und FDP steht vieles auf dem Spiel: Sie dürfen ihr Profil nicht verwässern, schulden ihren Wählerinnen klare Kante, klaren Kurs. Gerade punkto Freiheitsrechte ist man da weit auseinander. Und was es bedeutet, sich als Junior-Partner zu sehr an die Kanzler-Partei anzupassen, haben viele schon schmerzlich erlebt, gingen geschwächt und geprügelt aus Koalitionen.
Deutschland stehen unruhige Zeiten bevor. Alle paar Wochen wird man sich die Frage stellen: Zerbricht die Koalition jetzt? Geht es noch weiter in dieser Ehe – oder machen sich die Scheidungsanwälte schon bereit? Schon mit zwei Partnern war es in der Vergangenheit nicht einfach – mit dreien wird es richtig kompliziert. Finanzminister Lindner gegen Klima-Superminister Habeck gegen SPD-Innenminister gegen Aussenministerin Baerbock. Die Differenzen werden zu Tage treten – im Regierungs-Geschäft gibt es keine Verschwiegenheit wie in den vergangenen Koalitionsverhandlungen.
Gegenwind aus der Opposition
Gleichzeitig versucht die zerfetzte ehemalige Kanzler-Partei, die CDU, wieder auf die Beine zu kommen. Sie wird als stärkste Oppositionskraft keine Gelegenheit auslassen, die Regierenden zu piesacken, zu provozieren, zu belehren. Nach allen Regeln der Oppositionskunst, die alle Parteien mit Hingabe befolgen, seit es den Bundestag, die Bundesrepublik gibt. Und auf Zwischenrufe aus Bayern darf man sich auch schon freuen. Ministerpräsident Söder wird keine Gelegenheit auslassen, die drei in Berlin zu kritisieren – und sich kanzlerfit zu provozieren bis 2025, bis zur (voraussichtlich) nächsten Bundestagswahl.
«In einer Beziehung» stimmt also offiziell und definitiv wohl ab dem 7. oder 8. Dezember, wenn Olaf Scholz zum Kanzler gewählt wird – und Angela Merkel nach 16 Jahren abtritt. Doch gleichzeitig gilt ab dem ersten Tag: «Es ist kompliziert».