In Deutschland haben sich SPD und Grüne bereits für Ampel-Verhandlungen ausgesprochen, am Montagnachmittag ist die FDP gefolgt. Für die Ressorleiterin Politik der Zeitung «Die Welt», Claudia Kade, geht die FDP gestärkt in die Koalitionsgespräche – während die Grünen mit einem grossen Problem zu kämpfen haben.
SRF News: Wer wird in den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP am ehesten auf wen zugehen müssen?
Claudia Kade: Seitdem am Freitag die Eckpunkte für eine mögliche Ampelkoalition bekannt geworden sind, ist klar, dass die FDP am stärksten in die Koalitionsverhandlungen gehen wird. Die Liberalen haben von SPD und Grünen grosse Zugeständnisse erhalten: keine Steuererhöhungen, keine Aufweichung der Schuldenbremse. Für die FDP sind das wesentliche Punkte.
Die FDP hat grosse Zugeständnisse erhalten.
SPD und Grüne stehen sich inhaltlich naturgemäss näher, die FDP muss für ein Ampel-Bündnis den weitesten Weg zurücklegen – und das ihrer Klientel verkaufen. Deshalb erhält sie mit den wichtigen Zugeständnissen quasi am meisten Proviant mit auf den Weg.
Wer muss sich am stärksten bewegen?
Es sind wohl die Grünen, die aufpassen müssen, nicht komplett unter die Räder zu geraten. Die FDP hat ihre wichtigsten Kernvorhaben durchgesetzt, während die Grünen beim Klimaschutz zwar Punkte gemacht haben, doch die Vorhaben kosten viel Geld.
Die Grünen müssen sich jetzt kreative Finanzierungspläne überlegen.
Wenn es nun keine Steuererhöhungen gibt und neue Schulden nur sehr begrenzt möglich sind, ist bislang unklar, wie die Pläne finanziert werden sollen. Der Punkt ist denn auch offen. Die Grünen müssen sich jetzt kreative Finanzierungspläne überlegen, während sich SPD und FDP zurücklehnen.
Wo liegen aus Sicht der FDP die grössten Baustellen?
Auch den Liberalen geht es vor allem um die Finanzierungsfragen. Bereits gibt es Warnungen vonseiten des Bundesrechnungshofs, dass die neue Regierung aufgrund der teuren Klimaschutzmassnahmen möglicherweise Schattenhaushalte bilden könnte. Da will die FDP natürlich den Daumen draufhalten. Entsprechend geht jetzt bereits das Gezerre um Ministerien und Ministerposten los.
Jetzt geht das Gezerre um Ministerien und Posten los.
SPD, Grüne und FDP hatten sich ja eigentlich vorgenommen, einen neuen Politikstil einzuläuten: vor allem inhaltlich orientiert und vertraulich. Doch übers Wochenende reklamierte plötzlich die FDP den Posten des Finanzministers für sich, die Grünen hielten kräftig dagegen. Das erinnert an den Politikstil der vergangenen Regierungen, denen es stark um Befindlichkeiten, Eitelkeiten und Regierungsposten ging.
Wo befinden sich die Sozialdemokraten in dem Gerangel?
Die SPD will mit Olaf Scholz den Kanzler stellen und mit den Koalitionsverhandlungen möglichst schnell und geräuschlos ins Ziel kommen. Ihr Hauptziel, eine Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde, haben sie durchgesetzt, ebenso ein umfangreiches Wohnbauprogramm. Den Sozialdemokraten geht es vor allem darum, einen neuen, vertrauenswürdigen Kanzler zu positionieren – Scholz soll noch vor Weihnachten vereidigt werden. Die SPD konzentriert sich also vor allem darauf, den Laden zusammenzuhalten.
Das Gespräch führte Claudia Weber.