Lange wurde darüber spekuliert, doch jetzt ist es klar: Sahra Wagenknecht, eine der bekanntesten und umstrittensten Linkspolitikerinnen Deutschlands, will eine eigene Partei gründen. «Bündnis Sahra Wagenknecht» soll sie vorläufig heissen, bestätigte die 54-Jährige an einer Lesung am Donnerstagabend in Halle in Sachsen-Anhalt erstmals.
Wirtschaftlich links – gesellschaftlich rechts
Die Spaltung zwischen ihr und der Parteispitze zeichnet sich schon seit vielen Jahren ab. Zwar steht sie wie ihre Partei Die Linke für eine linke Wirtschaftspolitik mit einem höheren Spitzensteuersatz und diversen anderen Ansätzen zur Umverteilung. Doch gleichzeitig vertritt Wagenknecht deutlich konservativere Positionen als die Spitze, ist eher skeptisch bezüglich Migration und weniger aufgeschlossen gegenüber Klima- und Umweltschutz.
Diese Kombination von wirtschaftlich links und gesellschaftlich rechts biete die deutsche Parteienlandschaft bislang nicht an, erklärt die Politikwissenschaftlerin Sarah Wagner. Sie befasst sich an der Queen's University Belfast in Nordirland mit linken Parteien.
Noch ist vieles unbekannt
Die Nachfrage nach dieser Haltung ist auf Wählerseite anscheinend vorhanden. So könnte sich laut einer Umfrage der Deutschen Presseagentur DPA ein Fünftel der Deutschen grundsätzlich vorstellen, eine neue Partei mit Sahra Wagenknecht zu wählen.
Ungeachtet dessen besteht aber ein gewisses Interesse, und die Menschen wissen, wofür Sahra Wagenknecht steht.
Noch wisse man allerdings nicht, wie diese Partei parteiprogrammlich und organisatorisch aufgestellt sein werde und wer mitmachen würde, betont Politologin Wagner. Entsprechend vorsichtig seien Umfragen zu geniessen zu einem Zeitpunkt, wo sich jedermann seinen Teil noch selbst zusammenreimen müsse. Doch bestehe ein gewisses Interesse, und die Menschen wüssten, wofür Sahra Wagenknecht generell stehe.
Kommt jetzt die neue Alternative zur AfD?
Ein Wählerpotenzial wird für Wagenknecht vor allem bei der rechtspopulistischen AfD geortet, welche ganz linke und ganz rechte Positionen vermischt.
Die AfD muss laut unserer Studie vor einer Wagenknecht-Partei am meisten zittern.
Wagner verweist auf eine eigene Studie vom letzten Juni. Diese ergab, dass die AfD vor einer potenziellen Wagenknecht-Partei am meisten zittern müsste. Vor allem auch, weil sich Wagenknecht sehr deutlich als Gegnerin einer grösseren Migration positioniert habe. Die Linke dagegen habe keinen derart grossen Exodus zu befürchten.
Kein Erfolg mit «Aufstehen»
Wagenknecht scheiterte vor fünf Jahren mit der überparteilichen linken Protestbewegung «Aufstehen». Das lag vor allem an der Organisation. Sie selbst sagt von sich, dass sie keine besonders gute Organisatorin sei und ihr das schwerfalle. Man könne allerdings davon ausgehen, dass Wagenknecht aus dem Debakel gelernt habe, so Wagner.
Wagenknecht könnte die momentanen Krisen der Parteien ziemlich gut ausschöpfen.
Den Zeitpunkt für eine Parteigründung beurteilt die Politologin als «absolut günstig». Viele Bürgerinnen und Bürger fühlten sich von der Ampelregierung nicht repräsentiert, wollten aber auch nicht unbedingt für die AfD stimmen.
Wagenknecht habe sich zugleich sehr deutlich zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und an einer Kundgebung im Februar gegen deutsche Waffenexporte ausgesprochen. Entsprechend könne Wagenknecht von den momentanen Krisen der Parteien ziemlich gut profitieren.