Deutschland lockert die Corona-Beschränkungen nur sehr vorsichtig. Die Kontaktbeschränkungen – strenger als in der Schweiz – sollen noch bis mindestens am 3. Mai in Kraft bleiben. Bundeskanzlerin Merkel – selbst Naturwissenschaftlerin – sprach von einem «zerbrechlichen Erfolg». Und sie erklärte auch, warum: Deutschland habe gegenwärtig einen Reproduktionsfaktor eins, sprich eine infizierte Person steckt eine weitere an.
Würde der Faktor nur um 0.1 Punkte auf 1.1 steigen, käme das in der Corona-Krise international vielgerühmte deutsche Gesundheitswesen bereits im Oktober bei der Betreuung von Intensivpatienten an den Anschlag. Bei einem Reproduktionsfaktor 1.2 wäre dieser Punkt bereits im Juli, bei einem Faktor 1.3 schon im Juni erreicht, sagte die Kanzlerin.
Immerhin sollen Schulen ab dem 4. Mai teilweise und sukzessive wieder in Betrieb genommen werden. Und bereits ab nächstem Montag sollen Einzelhandelsgeschäfte bis 800 Quadratmeter unter Sicherheitsvorkehrungen geöffnet werden.
Kanzlerin fährt «auf Sicht»
Wie es ihrem politischen Stil entspricht, fährt die Kanzlerin «auf Sicht». Denn bereits am 30. April soll eine neue Bewertung der Situation vorgenommen werden. Kritik kommt aus der Wirtschaft, aber nicht sehr laut. Das Vorgehen der Kanzlerin, ihr Motto «Gesundheit vor Wirtschaft» wird von den Deutschen weitgehend unterstützt. Angela Merkel ist so beliebt, wie Ende September 2015 im ersten Monat der Flüchtlingskrise. Ihr «naturwissenschaftlich-alternativloser» Politikstil kommt in Corona-Zeiten gut an. Aber wie damals kann sich das ändern.
Söder und Laschet geht es auch um Kandidatenfrage
Den beiden mächtigen Ministerpräsidenten von Bayern und Nordrhein-Westfalen, Markus Söder (CSU) und Armin Laschet (CDU), geht es nicht nur um die Bekämpfung des Virus, sondern in zweiter Linie auch um die Nachfolge von Angela Merkel. Laschet hatte vergeblich versucht, eine weitergehende Lockerung der Einschränkungen voranzutreiben und sich auch gegen seinen Konkurrenten zu profilieren.
Doch Söder hat die Nase vorn. Die übrigen Kandidaten wie Friedrich Merz sind von der Bildfläche verschwunden. Denn wer würde einen Kandidaten wählen, der in der Virus-Krise – wenn auch ohne eigenes Verschulden – selbst am Coronavirus erkrankt?