Es könnte nicht besser laufen für Robert Habeck, den Co-Chef der deutschen Grünen: Bis zu 20 Prozent erreicht seine Partei in Umfragen zur Europawahl – das gab es noch nie. Die Grünen treffen den Zeitgeist; mit ihren Themen und mit ihrem Chef. Kaum ein anderer Politiker ist beliebter als Robert Habeck.
Die anderen Parteien wirken orientierungslos.
«Das ist erstmal nur ein Vertrauensvorschuss», gibt sich Habeck bescheiden. Die Menschen sehnten sich nach einer Politik, die zu Grossem fähig sei, angesichts der enormen Herausforderungen: «Bei Themen wie Umweltschutz, einer gerechten Wirtschaft oder bezahlbarem Wohnen haben wir eine hohe Glaubwürdigkeit. Die anderen Parteien wirken orientierungslos», so Habeck gegenüber SRF.
Europawahl als Bewährungsprobe
Die Europawahl wird zur Bewährungsprobe für die Regierung und für die mögliche Kanzler-Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer. So hat es die neue CDU-Chefin zwar geschafft, ihre Partei vor dem Zerfall zu bewahren, riskiert aber mit der deutlichen Abgrenzung von Merkels sozialem Kurs die Gunst der Wählerinnen in der Mitte. Gleichzeitig schafft sie es nicht, die Verluste am rechten Rand von der AfD zurückzuerobern. Die Union verharrt knapp unter 30 Prozent.
Richtig mies läuft es für die Koalitions-Partnerin SPD, die noch tiefer in Richtung Bedeutungslosigkeit abrutscht. Rund 16 Prozent erreichen die Sozialdemokraten in Umfragen, deutlich hinter den Grünen. Und SPD-Chefin Andrea Nahles ist nicht annähernd so beliebt wie Robert Habeck.
Jeder vierte würde Habeck zum Kanzler wählen
Dieser wirkt engagiert, nahbar und authentisch, fährt Fahrrad oder geht zu Fuss und reist ohne grosse Entourage. Zudem scheint Habeck frei von strategischem Kalkül oder Machtgehabe. Damit hebt er sich ab von manchem Politiker in Berlin. Jeder vierte in Deutschland würde Habeck gar zum Kanzler wählen.
Ich will keinen vorzeitigen Regierungswechsel, ich spekuliere nicht auf politische Instabilität.
Doch er wäre nicht Habeck, würde er darauf einsteigen: «Diese Frage ist zu ernsthaft, um damit herumzuspielen. Ich will keinen vorzeitigen Regierungswechsel, ich spekuliere nicht auf politische Instabilität. Das halte ich demokratiepolitisch für gefährlich. Wir haben eine gewählte Regierung, und wir haben eine Kanzlerin.»
Die Frage ist: Wie lange noch? Merkels Abwesenheit im Europawahlkampf und die mässigen Umfragewerte der Koalition nähren Spekulationen, wonach die Kanzlerin ihren vorzeitigen Abgang plane. Und die Regierung ist frei von visionärer Politik, wie sie Habeck und seinen Wählern vorschwebt.
«Wir wollen regieren»
«Unsere Aufgabe als Opposition ist es, die Regierung endlich in die Spur zu bringen beim Klimaschutz», so Habeck. In zwei Jahren allerdings, wenn die nächsten, planmässigen Bundestagswahlen anstehen, will Habeck nach der Macht greifen. «Wir wollen regieren», sagt Habeck, und – das lässt er durchblicken – nicht als Juniorpartner der CDU.
In Zeiten erodierender Volksparteien befreien sich die Grünen von ihrem Öko-Nischen-Image und schwingen sich auf zur massentauglichen Alternative. Und was früher niemand für möglich gehalten hätte, wird plötzlich denkbar: Ein grüner Kanzler.