Zum Inhalt springen

Nach dem Ende der Ampel Neuwahlen in Deutschland: Wer würde profitieren, wer verlieren?

Der deutsche Kanzler Olaf Scholz erwägt, die Vertrauensfrage noch vor Weihnachten zu stellen – das hätte politische, wirtschaftliche und organisatorische Konsequenzen.

Darum geht es: Nach dem Auseinanderbrechen der Ampelkoalition steht Deutschland möglicherweise vor vorgezogenen Neuwahlen. Olaf Scholz hat sich dazu bereit erklärt, die Vertrauensfrage möglicherweise noch vor Weihnachten zu stellen – und somit den Weg für Neuwahlen freizumachen.

Vorteile von früheren Neuwahlen für die Union: Die Unionsparteien CDU und CSU liegen in Umfragen sehr weit vorne. Sie wollen diese guten Umfragewerte möglichst rasch in Wählerstimmen verwandeln. Auch, weil ihr Kanzlerkandidat Friedrich Merz, der CDU-Vorsitzende, im längeren Wahlkampf noch Fehler machen könnte, erklärt Claudia Kade. Sie leitet das Ressort Politik bei der deutschen Tageszeitung «Die Welt».

Friedrich Merz hält Rede hinter Mikrofon.
Legende: Risiko Friedrich Merz (im Bild): «Er ist ein Kandidat, der seinen Parteifreunden oftmals Schweissperlen auf die Stirn treibt, wenn er in Talkshows sitzt. Denn er ist manchmal nicht ganz so trittfest», sagt Claudia Kade. Reuters/Karina Hessland (18.07.2024)

Vorteile von früheren Neuwahlen für die AfD: Laut aktuellen Umfragen gilt die AfD als zweitstärkste Kraft. Sie könnte darauf hoffen, dass ihr derzeitiges Umfragehoch sich auch in einem starken Wahlergebnis widerspiegeln würde. Die anderen Parteien schliessen eine Koalition mit der AfD klar aus.

Vorteile von früheren Neuwahlen für die Wirtschaft: Frühere Neuwahlen könnten auch für die deutsche Wirtschaft vorteilhaft sein, unabhängig von Parteistrategien, sagt Kade. Die Ampelregierung war in den letzten Monaten kaum in der Lage, notwendige wirtschaftspolitische Entscheidungen zu treffen. Und eine neue Regierung müsse sich auch erst finden. Je früher dieser Prozess beginnt, desto eher könnten wichtige Massnahmen zur Stärkung der Wirtschaft beschlossen werden.

Person im Anzug neben Auto und Treppe.
Legende: Der Druck kommt von allen Seiten: Neben der Opposition setzen nun auch Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, die Wählerschaft und der verbleibende Regierungspartner, die Grünen, den Kanzler unter Zugzwang. Im Bild: Robert Habeck (Grüne) Keystone/DPA/KAY NIETFELD (11.11.2024)

Nachteile von früheren Neuwahlen für die SPD: Für Olaf Scholz und die SPD wäre der Zeitpunkt ungünstig: «Scholz will das schlechte Image, das er als Ampelkanzler in den Umfragen hat, loswerden. Er will das Gezerre zwischen SPD, Grünen und den Liberalen hinter sich lassen und Zeit gewinnen, um sich als starken Kanzler zu präsentieren. Und er will zeigen, dass er mit den Grünen zusammen stabiler agieren kann, wenn er die Union bei einzelnen Regierungsprojekten auf seine Seite zieht, als es zusammen mit den Liberalen der Fall war», erläutert Claudia Kade.

Personen sitzen an einem runden Tisch bei einem Gespräch.
Legende: «Dass ich noch vor Weihnachten die Vertrauensfrage stelle (...), ist für mich überhaupt kein Problem», sagte Olaf Scholz in der ARD-Sendung «Caren Miosga». imago images/dts Nachrichtenagentur (10.11.2024)

Nachteile von früheren Neuwahlen bezüglich Organisation: Es gibt Bedenken bezüglich der organisatorischen Herausforderungen. Einige Städte und Gemeinden haben immer wieder Schwierigkeiten, Wahlhelfer zu finden. Es muss auch überprüft werden können, ob die Wahlen korrekt ablaufen. Auch deshalb hat die Bundeswahlleiterin am Wochenende davor gewarnt, eine vorzeitige Wahl überstürzt anzugehen. Kritiker werfen der Wahlleiterin eine Nähe zur SPD-geführten Regierung vor. Denn sie untersteht dem Bundesinnenministerium, welches von der SPD geführt ist.

Das wird diese Woche erwartet: Am Mittwoch wird Bundeskanzler Scholz seine Regierungserklärung verlesen. Die CDU/CSU fordert, dass der Kanzler dann schon die Vertrauensfrage stellt. Claudia Kade sieht dies jedoch skeptisch: «Ich glaube nicht, dass das passiert. Scholz wird eher einen Fahrplan präsentieren.» Zudem hat er die Entscheidung den beiden Fraktionsvorsitzenden der SPD und der Union überlassen.

Entscheidung liegt bei den Fraktionsvorsitzenden:

Box aufklappen Box zuklappen
Mann spricht vor SPD-Banner.
Legende: Der SPD-Vorsitzende Rolf Mützenich (im Bild) und der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz sind in der Pflicht beim Termin für die Vertrauensfrage. Keystone/DPA/CHRISTOPH SOEDER (08.11.2024)

Olaf Scholz hat die Entscheidung über den genauen Zeitpunkt der Vertrauensfrage an die beiden Fraktionsvorsitzenden übergeben – an Rolf Mützenich (SPD) und Friedrich Merz (CDU). Die SPD möchte ein Zugeständnis für einen Wahltermin jedoch mit einer Bedingung verknüpfen: Scholz hofft, dass die Union der SPD-geführten Minderheitsregierung im Gegenzug hilft, wichtige Gesetze noch schnell durchzubringen, bevor Neuwahlen stattfinden. «Das ist demokratietheoretisch sehr fragwürdig», sagt Kade.

Wahlen in Deutschland 2025

Box aufklappen Box zuklappen
Legende: KEYSTONE/DPA/Anna Ross)

Deutschland soll am 23. Februar 2025 einen neuen Bundestag wählen. Anschliessend wird eine neue Regierung ernannt. Alle News und Hintergründe zu den Wahlen in Deutschland finden Sie hier.

 

SRF 4 News, 11.11.2024, 07:21 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel