Büsingen am Hochrhein ist ein deutsches Dorf innerhalb der Schweiz. Viele der 890 Wahlberechtigten der einzigen deutschen Enklave im Land sprechen Schweizerdeutsch. Bei der Bundestagswahl 2025 konnte hier insbesondere die AfD zulegen. Nur unbedeutend mehr Stimmen holte die CDU. Bürgermeisterin Vera Schraner erhofft sich für die Zukunft vor allem weniger Bürokratie.
SRF News: Wie stark hat die Bundestagswahl Büsinger und Büsingerinnen beschäftigt?
Vera Schraner: Mit fast 69 Prozent hatten wir eine hohe Wahlbeteiligung. Für die Exklave Büsingen ist das eher überdurchschnittlich. Darum gehe ich davon aus, dass jetzt auch der Büsinger Bürger, die Büsinger Bürgerin, in der Politik mitreden möchte.
Unsere Flüchtlingssituation sehe ich als sehr entspannt an.
Wie erklären Sie sich den Erfolg der AfD in Ihrem Dorf?
Ich habe keine Erklärung. Wir leben hier in unserem Dorf mit über 50 verschiedenen Nationalitäten friedlich zusammen. Unsere Flüchtlingssituation sehe ich als sehr entspannt an. Ich denke, die Bürgerinnen und Bürger wünschen sich Veränderung – nicht nur in Büsingen, daher wählen sie vermehrt die politischen Randparteien.
Hat die Bundestagswahl denn einen grossen Einfluss auf eine kleine Gemeinde wie Büsingen?
Logisch hat die Politik Auswirkungen auf jede Gemeinde in Deutschland. Aufgrund unserer Situation ausserhalb des Bundeslandes Deutschland arbeiten wir aber viel mehr mit der Schweiz zusammen, vorwiegend mit dem Kanton Schaffhausen. Manchmal sage ich: Wir sind ein bisschen in Watte gepackt.
Wie meinen Sie das?
Der Staatsvertrag definiert in vielen Bereichen Schweizer Recht. Vollumfänglich Schweizer Recht gilt bei uns zum Beispiel in der Landwirtschaft. Gewisse rechtliche und gesetzliche Entscheidungen von Berlin haben in Büsingen keine Auswirkungen.
Was erhoffen Sie sich für die nächsten Jahre von der neuen Regierung und vom neuen Bundesparlament?
Die Erwartungen an die neue Regierung sind hoch, nicht bloss von Büsingen, sondern von ganz Europa. Wichtig ist für uns, dass es auf jeden Fall eine Veränderung gibt. Wir brauchen Unterstützung in der Wirtschaft, wir brauchen Unterstützung beim Schritt Richtung erneuerbare Energien, wir brauchen Entbürokratisierung. Das ist das, was uns betrifft. Es gibt so viele Gesetze und Verordnungen, die wir schlicht und ergreifend gar nicht umsetzen können.
Bern ist zwar auch weit weg, aber tatsächlich nicht ganz so weit wie Berlin.
Können Sie ein Beispiel machen von einer Sache, die Büsingen speziell betrifft?
Wir haben immer wieder Schwierigkeiten mit privatrechtlichen Versicherungen. Zum Beispiel können Sie heute in Büsingen de facto kein Auto leasen: Wenn ich in der Schweiz ein Auto kaufe, mache ich normalerweise einen Leasingvertrag mit einem Schweizer Finanzdienstleister. Ich kriege aber keinen Vertrag, weil ich auf deutschem Boden wohne. Und wenn ich das Auto in Deutschland lease, muss ich es über den Zoll bringen. Dann muss ich es verzollen und das macht das Leasing eigentlich obsolet.
Hört man Ihnen zu, erhält man den Eindruck, dass Büsinger und Büsingerinnen der Schweiz näher sind als Deutschland.
Der Eindruck stimmt sicher. Der Büsinger fühlt sich der Schweiz nah, vor allem dem Kanton Schaffhausen. Wir sind im Grunde auch eine Gemeinde vom Kanton, weil uns mit ihm unzählige bilaterale Abkommen verbinden. Bern ist zwar auch weit weg, aber tatsächlich nicht ganz so weit wie Berlin.
Fühlen sich Büsingerinnen und Büsinger denn als Deutsche oder Schweizer?
Ich glaube, der Büsinger hat wirklich eine Büsinger Identität. Also ich fühle mich auch als Büsingerin.
Das Gespräch führte Roger Steinemann.
Das Interview wurde um eine Frage und Antwort erweitert.