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Die Grünen: Erfolgsverwöhnt, aber nicht machthungrig
Aus Echo der Zeit vom 07.08.2019. Bild: Keystone
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Deutschlands Polit-Überflieger Können Sie uns die Wut der Ostdeutschen erklären, Herr Habeck?

In Deutschland «grünt» es. Nun stehen Wahlen in den ostdeutschen Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Thüringen an – eigentlich schwieriges Terrain für die Partei. Doch auch dort sieht es gut aus. Obwohl der Osten vom Braunkohle-Abbau lebt, der beendet werden soll. Robert Habeck, Co-Chef der Grünen, erklärt, woher die Wut im Osten kommt – und warum er sich trotz Umfragehoch keine Neuwahlen wünscht.

Robert Habeck

Co-Chef der deutschen Grünen

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Robert Habeck (geb. 1969 in Lübeck) ist seit Anfang 2018 neben Annalena Baerbock Bundesvorsitzender der deutschen Grünen. In Umfragen gehört er regelmässig zu den beliebtesten Politikern Deutschlands.

SRF News: Laut Umfragen könnten die Grünen in Sachsen mit einer erzkonservativen CDU regieren und in Brandenburg mit einer rot-roten Linksregierung. Sind Deutschlands Grüne inhaltlich breit genug aufgestellt, dass so etwas geht?

Robert Habeck: Was die Regierungsbeteiligung angeht, sind wir in beiden Bundesländern bereit. Die CDU ist aber in Sachsen kein einfacher Partner für uns. In ihren Äusserungen sind sie auch im CDU-Spektrum sehr konservativ, teils sehr weit rechts. Trotzdem müssen in der Situation, in der sich Deutschland derzeit befindet, alle demokratischen Parteien miteinander gesprächsfähig sein.

Deutschland-Trend der ARD
Legende: Kein Sommerlüftchen: Schon länger sind die Grünen im Hoch. Im aktuellen Deutschland-Trend der ARD (1.8.2019) sind sie sogar gleichauf mit der CDU/CSU. ARD

Wie erklären Sie einem Lausitzer, dass der Ausstieg aus der Braunkohle kommt, wenn 500 Meter von seinem Haus entfernt ein riesiger polnischer Braunkohletagebau steht?

Das ist schwierig. Besser wäre eine gesamteuropäische Einigung. Mein Argument wäre aber: Früher oder später wird auch Polen aus der Kohle aussteigen. Also ist es auch für den Lausitzer besser, wenn man sich dem Wandel rechtzeitig stellt und nicht wartet, bis der Letzte das Licht ausmacht. Der Ausstieg aus der Kohle wurde schon zu lange ausgesessen. Die Klimaschutz-Erkenntnisse sind nicht neu. Letztlich hat sie die Politik aber nie ernst genommen. Das würde mit uns sicherlich nicht so sein.

Braunkohlewerk in der Lausitz
Legende: Der traditionsreiche Braunkohle-Abbau in der Lausitz ist bald Geschichte. Auf der anderen Seite der Grenze, in Polen, geht es weiter. Reuters

In Ostdeutschland herrscht grosse Wut. Letztlich kann ich sie mir aber nicht erklären. Es gibt Leute, die sagen, dass es ihnen zwar gut geht – aber so könne es nicht weitergehen. Können Sie diese Wut, die 30 Jahre nach der Wende im Osten herrscht, dem Schweizer Publikum erklären?

Viele Menschen im Osten haben politische Umbrüche und Enttäuschungen erlebt, die mit diesen Veränderungen verbunden waren. In der Regel reicht das für zwei Leben. Das muss man ernst nehmen. Es gibt ein Misstrauen gegenüber dem Nächsten, der ankommt und etwas verspricht. Der behauptet, dass mit dem nächsten Wandel alles gut wird. Dieses Misstrauen ist sehr ausgeprägt. Teilweise ist es berechtigt, teilweise ist es eine mentale Frage.

Annegret Kramp-Karrenbauer hat einen Flugzeugträger ins Gespräch gebracht. Das ist das Letzte, was Deutschland und Europa im Moment brauchen.

Im Unterschied zur Schweiz und zu Westdeutschland gibt es im Osten eine gesellschaftliche Verlusterfahrung. Man vergleicht sich mit dem Westen, ja auch der Schweiz, hört von Vermögen, die vererbt werden oder davon, dass die Leute im Rentenalter nach Mallorca übersiedeln. Die Leute denken sich dann, dass sie nichts dergleichen haben – auch wenn sie nicht hungern müssen. Sie vergleichen sich ökonomisch und glauben, dass sie nicht mithalten können. Diese Unzufriedenheit ist erklärbar und hat einen gewissen Grund.

Sie haben kürzlich gesagt, dass Sie unter bestimmten Bedingungen Militäreinsätze befürworten. Wie viel Geld soll dann die Bundeswehr bekommen, bei der man froh sein kann, wenn etwas fahren, fliegen oder tauchen kann?

Das ist die falsche Diskussion. Es geht nicht um Zahlen, sondern um die Funktionsfähigkeit der Armee. Zudem muss strategisch festgeschrieben werden, was die Armee leisten soll. Die neue Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat einen Flugzeugträger ins Gespräch gebracht. Das ist das Letzte, was Deutschland und Europa im Moment brauchen.

Wir wollen regieren und bereiten uns darauf vor.

An Geld für Cyberabwehr wiederum sollte es nicht scheitern. Es braucht eine strategische Beschreibung der Gefahrenlage und dann die notwendige Ausstattung. Wenn man europäisch besser kooperiert, wird das unter zwei Prozent (des Bruttoinlandsprodukts Deutschlands, Anm. d. Red.) liegen. Es macht aber keinen Sinn, die Zahl an den Anfang der Diskussion zu stellen.

Die aktuelle Bundesregierung war von Anfang an eine Regierung auf Zeit. Wenn es nach politischer Logik geht, müsste sie nach den anstehenden Landtagswahlen und dem SPD-Parteitag auseinanderfallen. Wie sehen Sie die nähere Zukunft der Regierungskoalition?

Ich möchte dem Ruf nach Neuwahlen nicht folgen. Ich registriere, dass die Parteien selbst anfangen, darüber zu reden. Zu regieren ist noch immer ein Privileg und geht mit Verantwortung einher. Man darf das nicht derart der Parteitaktik überlassen, dass man wegen sinkender Umfragewerte eine Koalition auflöst. Ich will damit rechnen, dass wir erst 2021 wählen.

Habeck bei einer Parteiversammlung
Legende: Jeder vierte Deutsche würde diesen Mann zum Kanzler wählen, glaubt man den jüngsten Umfragen. Doch Robert Habeck will keine Neuwahlen – und nimmt die Koalition aus CDU und SPD in der Pflicht. Reuters/Archiv

Eine Partei, die wie Ihre Grünen in Umfragen auf 25 Prozent der Stimmen kommt, muss doch an die Macht wollen?

Selbstverständlich. Wir wollen regieren und bereiten uns darauf vor. Wir nehmen Anlauf, unsere Projekte in Verantwortung umzusetzen. Aber es gibt immer Umstände. Und diese sind derzeit so, dass unsere Demokratie unter Druck steht. Deswegen wünsche ich mir, dass die Leute in Regierungsverantwortung ihr Mandat ausüben. Der parteitaktische Vorteil darf die verfassungsmässige Stabilität nicht überwiegen.

Das Gespräch führte SRF-Deutschland-Korrespondent Peter Voegeli.

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