Seit der letzten Bundestagswahl sitzen sechs Parteien im Deutschen Bundestag. Neu dabei ist die rechtskonservative AfD, die den Ton in den Reden und Debatten deutlich verschärft hat. Die anderen Fraktionen grübeln noch über den richtigen Umgang mit den «Neuen im Parlament». Philipp Amthor ist da einen Schritt weiter. Der 25-Jährige glaubt zu wissen, wie die AfD «entzaubert» werden kann.
SRF News: Ist der Ton der Debatten im Bundestag durch den Einzug der AfD rauer geworden?=
Philipp Amthor: Ich nehme im Positiven erstmal wahr, dass das Interesse an parlamentarischen Debatten in Deutschland gestiegen ist. Wir haben eine durchaus polarisierte Auseinandersetzung, aber das ist auch ein sehr guter Punkt. So kehrt die Debatte wieder aus den Talkshows zurück in die Mitte des Parlaments. Aber natürlich ist der Ton im Parlament durchaus rauer geworden.
Was ist Ihre Taktik im Umgang mit der AfD?
Wir brauchen für die AfD keinen Sonderweg, sondern eine harte Auseinandersetzung in der Sache. Das Wichtige sollte nämlich sein, dass wir zu einer Politik zurückkehren, die sich anhand sachlicher Argumente darstellt. Die AfD ist natürlich in grossen Teilen unser politischer Gegner und wir wollen die Wähler, die die AfD beim letzten Mal gewählt haben, wieder für die CDU zurückgewinnen. Aber natürlich heisst das nicht, dass wir sie deswegen mit einer Sonderstellung ins Abseits stellen können. Sondern wir müssen uns natürlich auch mit ihren Argumenten auseinandersetzen. Das erwarten die Bürger und nur so können wir auch Vertrauen zurückgewinnen, wenn wir die AfD und auch den Populismus entzaubern.
Nur zu skandalisieren und sich immer nur laut mit der AfD auseinanderzusetzen, bringt die AfD oft in die Märtyrerrolle, die sie eigentlich anstrebt.
Ist das ihre persönliche Taktik oder die der gesamten CDU/CSU-Fraktion?
Das ist mein persönlicher Standpunkt. Innerhalb der CDU/CSU-Bundestagsfraktion diskutieren wir noch darüber, wie der beste Weg des Umgangs mit der AfD ist. Da muss man manches erst lernen und genau anschauen. Denn natürlich ist es so: Nur zu skandalisieren und sich immer nur laut mit der AfD auseinanderzusetzen, bringt die AfD oft in die Märtyrerrolle, die sie eigentlich anstrebt. Wir müssen dort einen gesunden Mittelweg finden.
Hinzu kommt, dass die AfD regional ganz unterschiedliche Phänomene hat. In einigen Teilen Deutschlands sind sie eher eine Marginalie. Bei mir im Nordosten Deutschlands aber gibt es Wahllokale, da hat jeder Vierte die AfD gewählt. Das heisst, ich muss sie ernst nehmen und mich mit ihr auseinandersetzen.
Sie bevorzugen die sachliche Auseinandersetzung. Wie ist die Resonanz bei Ihnen zuhause darauf, wo die AfD sehr stark ist? Wie reagieren Ihre Wähler?
Da ist eine sehr positive Resonanz. Denn das ist genau das, was die Bürger bei mir einfordern. Ich habe gerade bei der Resonanz auf meine Rede zum Burka-Verbot, wo ich mich sehr inhaltlich mit der AfD auseinandergesetzt habe. Ich habe auch viele Reaktionen aus der CDU bekommen, die gesagt haben ‹genau das ist richtig – sachliche Abgrenzungslinien finden›. Der Umgang mit der AfD kann natürlich nicht dazu führen, dass wir als CDU jetzt sagen ‹wir sind keine konservative Partei mehr›. Und nur, weil die AfD irgendein Thema besetzt, schreiben wir das Thema ab. Wir müssen sagen, was uns von der AfD unterscheidet, was sind die Trennlinien und trotzdem in der Auseinandersetzung konservative Positionen bewahren. Das ist ein ganz entscheidender Punkt – auch für die inhaltliche Zukunft der CDU.
Wir merken, dass die Auftritte im Deutschen Bundestag, sowohl die Plenumsreden als auch andere Debattenbeiträge viel weniger an das Parlament gerichtet sind, als viel eher in Richtung eines Schaufensters nach draussen.
Wie würden Sie denn die Strategie der AfD im Bundestag beschreiben?
Wie man das schon im Wahlkampf gesehen hat, setzt die AfD auf ihre eigene Filterblase und sehr auf eine Aussendarstellung. Wir merken, dass die Auftritte im Deutschen Bundestag, sowohl die Plenumsreden als auch andere Debattenbeiträge viel weniger an das Parlament gerichtet sind, als viel eher in Richtung eines Schaufensters nach draussen.
Wenn Sie sich die AfD-Beiträge auf Facebook oder anderen Sozialen Netzwerken anschauen, sehen Sie, dass die Gegenargumente der Anderen, die Debatte, völlig ausgeblendet werden. Fokussiert wird nur auf einzelne Redebeiträge. Und die AfD sagt: ‹Wir stellen jetzt die Altparteien› und einiges mehr. Da geht es also nur um Schlagworte.
Das Thema Burka-Verbot hat das sehr deutlich gezeigt. Sie haben einen offensichtlich sachlich falschen und verfassungswidrigen Antrag vorgelegt, was auch viele Juristen der AfD-Fraktion wissen mussten. Das hat aber gar keinen interessiert. Die haben einfach gesagt ‹wir haben einen Antrag zum Burka-Verbot vorgelegt. Die Altparteien haben das abgelehnt. Wir sind die einzigen, die gegen die Islamisierung des Abendlandes sind›. So funktioniert der ‹Modus AfD› – wenig über sachliche Substanz und viel mehr über ein öffentliches Skandalisieren. Das ist für uns eine Herausforderung, weil wir ja natürlich auch schauen müssen, wie schaffen wir es, das aufzubrechen.
Das Gespräch führte Peter Voegeli.
-
Bild 1 von 11. Alice Weidel bildet zusammen mit Alexander Gauland die Fraktionsspitze der AfD. 2013 ist sie der AfD beigetreten. Dort legt sie einen steilen Aufstieg hin: 2015 wird sie in den Bundesvorstand gewählt, 2017 führt sie die Partei als Spitzenkandidatin erstmals in den Bundestag. Spezialgebiet der 39-Jährigen ist die Wirtschafts- und Finanzpolitik. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 2 von 11. Alexander Gauland steht wie Weidel an der Fraktionspitze der AfD. Der 77-Jährige Jurist ist bereits seit den 1970er Jahren in der Politik tätig. Gauland bezeichnete die Flüchtlingskrise als «Geschenk für die Partei». Er gilt als einer der Wegbereiter des rechtskonservativen Kurses der AfD. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 3 von 11. Beatrix von Storch ist stellvertretende Fraktionschefin der AfD, Die 46-Jährige wird 2016 deutschlandweit bekannt, als sie mögliche Schusswaffeneinsätze gegen Flüchtlinge für gerechtfertigt hält. Von 2014 bis 2016 war sie Mitglied der rechtspopulistischen Fraktion im Europäischen Parlament. Seit November 2017 ist sie Abgeordnete des Bundestages. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 4 von 11. Jörg Meuthen ist einer der Sprecher der AfD und durch seine Medienpräsenz einer der bekanntesten Köpfe der Partei. Der Wirtschaftswissenschaftler ist Nachfolger von Beatrix von Storch im Europäischen Parlament und hat keinen Sitz im Bundestag. Der 56--Jährige ist bekannt als Kritiker der europäischen Währungsunion. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 5 von 11. Marc Jongen gilt als Phlosoph der AfD. Der gebürtige Südtiroler hat das «Manifest» der Partei verfasst. Der 49-Jährige ist kulturpolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion. Auf seiner Webseite erklärt er dazu: «Es wird mir eine Ehre und Freude sein, dieses Amt auszuüben und die Entsiffung des Kulturbetriebs in Angriff zu nehmen.». Bildquelle: Keystone.
-
Bild 6 von 11. Albrecht Glaser ist Mitbegründer der AfD. Seit 2015 sitzt er im Bundesvorstand der Partei. Landesweit bekannt wurde er 2017 durch seine erfolglose Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten und die gescheiterte Wahl zum Bundestagsvizepräsidenten. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 7 von 11. Björn Höcke ist einer der umstrittensten Figuren der AfD. Er ist Fraktionsvorsitzender im Landtag des Bundeslandes Thüringen und gilt als Rechtsaussen der Partei. Wiederholt fiel der 45-Jährige durch grenzwertige Aussagen auf, die ihm ein Parteiausschlussverfahren einbrachte, das noch hängig ist. Höcke ist nicht Bundestagsabgeordneter. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 8 von 11. Stephan Brandner wird dem Höcke-Lager und damit dem rechten Flügel der Partei zugeordnet. Ähnlich wie dieser setzt er auf verbale Provokation der politischen Gegner. Brandner ist seit Ende Januar 2018 Vorsitzender des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages. Die Wahl war nötig, weil die normalerweise ausreichende Nomination nicht reichte. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 9 von 11. Zwei weitere Fachausschüsse des Deutschen Bundestages werden von AfD-Politikern geleitert. Der Ausschuss für Tourismus wird von Sebastian Münzenmaier geleitet – an der Spitze des Haushaltsausschusses steht Peter Boehringer (Bild). Er ist ein scharfer Kritiker der aktuellen Euro-Politik. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 10 von 11. Frauke Petry war das bekannteste Gesicht der AfD. Just nachdem sie 2017 durch den Sieg in ihrem Wahlkreis ein Bundestagsmandat gewonnen hatte, trat sie nach Streitigkeiten mit Weidel und Gauland aus der Partei aus. Im Bundestag sitzt sie nun als Fraktionslose. Inzwischen hat sie eigene Partei gegründet: die Blaue Partei. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 11 von 11. Und dann war ja da noch Bernd Lucke. Lucke war Mitbegründer der AfD, trat aber später aus der Partei aus. Lucke wurde praktisch «rechts überholt». Danach gründete er die Partei Allianz für Fortschritt und Aufbruch (Alfa), die sich in Liberal-Konservative Reformer (LKR) umbenannte. Dort sitzt er noch im Vorstand, ebenso im Europäischen Parlament. Bildquelle: Keystone.