«Opposition ist Mist. Lasst das die anderen machen – wir wollen regieren», sagte der damalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering vor dreizehn Jahren. Regieren wollen die Sozialdemokraten immer noch. Doch die Volkspartei taugt heute nur noch zum Juniorpartner für die übermächtige CDU. Und nach vier Jahren grosser Koalition steht die stolze Sozialdemokratie mit dem schlechtesten Ergebnis seit 1949 da. Ein Desaster.
Wir sind die Partei der Opposition.
Kein Lohn für die Koalitions-Knochenarbeit
Unmittelbar nach den ersten Hochrechnungen hat die SPD nun die Reissleine gezogen. «Wir gehen in die Opposition», kündigte die stellvertretende Parteivorsitzende Manuela Schwesig im ZDF an.
Denn die Bilanz nach vier Jahren Grosser Koalition ist ernüchternd: Für die Knochenarbeit in der Regierung wird die SPD nicht belohnt.
Auch der zweite Wunschpartner der CDU, die FDP, taugt mit rund 10 Prozent nicht zum alleinigen Koalitionspartner für die CDU, die selber herbe Verluste eingefahren hat. Die Koalitionsfrage ist also schnell beantwortet – zumindest in der Theorie: Eine handlungsfähige Regierung lässt sich nur mit einer Jamaika-Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen aufstellen.
Gegen uns kann keine Regierung gebildet werden.
Mehr Parteien und mehr Unsicherheit
«Merkel hätte am liebsten die Grosse Koalition fortgeführt», sagt Peter Voegeli, Deutschland-Korrespondent von Radio SRF. Nun werde die Regierung Merkel in ein «Experiment» gezwungen: «Wenn die SPD in der Opposition bleibt, gibt es ein Jamaika-Bündnis. Eine solche Koalition wird auf jeden Fall mehr Unsicherheit als die Grosse Koalition bedeuten.»
Nun sei klar, dass die Parteienlandschaft auch in Deutschland zersplitterter geworden sei. Sechs Fraktionen hat es seit der ersten Wahl 1949 noch nicht gegeben. Die Karten in Berlin werden neu gemischt, glaubt Voegeli.
Deutschland ist zwar stabil und gilt als Anker in Europa. Innerhalb Deutschlands wird das Gefüge aber instabiler.
Ein politisches Novum ist eine Jamaika-Koalition zwar nicht. Die erste formierte sich 2005 im Saarland. Und seit diesem Sommer regiert im Bundesland Schleswig-Holstein eine solche Koalition. Auf Bundesebene ist «Jamaika» unbetretenes Gelände.
Daniel Günther, Ministerpräsident in Schleswig-Holstein, will die «experimentelle» Koalition auch auf Bundesebene nicht ausschliessen, wie er gegenüber SRF News sagt: «Aber man kann Schleswig-Holstein nicht einfach auf Bundesebene übertragen.»
Und jetzt?
«Jamaika-Koalition» klingt bunt und lustig. Sie sorgt aber bei manchen Direktbeteiligten nicht nur für Heiterkeit. «Für Jamaika fehlt mir die Phantasie», sagte FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner im Wahlkampf. Seine Ansage zeigt: Die FDP wird ein unbequemer Partner für Koalitionsverhandlungen.
Und auch die Grünen können mit über neun Prozent selbstbewusst in Ausmarchungen gehen: «Mit Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt haben sie aber zwei pragmatische, unideologische Spitzenkandidaten», sagt Voegeli.
Ihre gemässigte Haltung könnte sich positiv auf die Koalitionsverhandlungen auswirken, sagt auch Adrian Arnold, der für Fernsehen SRF aus Berlin berichtet.
Nichtsdestotrotz: Der alten und (designierten) neuen Kanzlerin Merkel stehen schwierige Koalitionsverhandlungen bevor. Und Martin Schulz, Oppositionsführer in spe, kündigte schon einmal an: «Wir werden der Jamaika-Regierung scharf entgegentreten.»