Kreml-Chef Wladimir Putin fordert eine russische Alternative für das Online-Nachschlagewerk Wikipedia. Die Regierung plant für die Bereitstellung der eigenen Wikipedia-Version umgerechnet gut 26 Millionen Franken ein. Das Projekt ist durchaus ambitioniert, berichtet ARD-Korrespondentin Sabine Stöhr: Das russische Online-Nachschlagewerk soll weit populärer werden als das Vorbild – und vieles ins rechte Licht rücken.
SRF News: Was steckt hinter den russischen Plänen für ein alternatives Wikipedia?
Sabine Stöhr: Die Idee dafür hatten russische Wissenschaftler schon 2014. Also in dem Jahr, in dem Russland die ukrainische Halbinsel Krim annektierte – was in Russland anders gesehen wird. Am Dienstag bestätigte Putin nun, dass es ein russisches Wikipedia geben werde. Der russische Präsident sagte, das Online-Nachschlagewerk solle durch eine einheimische Version ersetzt werden, weil es dort verlässlichere Informationen geben werde, die auf gute, moderne Weise präsentiert würden.
Rund 26 Millionen Franken will die russische Regierung ausgeben. Was ist sonst bekannt über den Aufbau des Nachschlagewerks?
Es wird auf jeden Fall anders aufgebaut sein als das Wikipedia, das wir kennen. Bei diesem handelt es sich um eine freie Enzyklopädie, an der alle beitragen und mitschreiben können. Bei der russischen Enzyklopädie soll das anders ablaufen, viel kontrollierter. Nur Experten – ausgewählte Redakteure – sollen daran schreiben können.
Es sollen russische Werte transportiert werden.
Die Grundlage soll «Die grosse russische Enzyklopädie» sein, ein mehrbändiges Lexikon. Dicke, schwere Bände, die wiederum auf der sowjetischen Enzyklopädie aufbauen. Die russische Enzyklopädie wurde 2014 veröffentlicht. Darin ist die Krim ein Subjekt der russischen Föderation. Das russische Wikipedia soll 2023 vorliegen und viel populärer als das derzeitige werden. Man strebt ein fünfmal so grosse Leserschaft an.
Welche Inhalte will die Regierung bereitstellen, und welche nicht?
So konkret hat sie das nicht bekannt gegeben. Die Annexion der zur Ukraine gehörenden Halbinsel Krim ist aber sicher das Paradebeispiel. Sicherlich sollen russische Werte transportiert werden. Das lässt sich daran erkennen, dass erst vor kurzem die zuständige Behörde in Russland vorübergehend einen Artikel auf Wikipedia geblockt hat. Dieser hat darüber informiert, wie sich eine spezielle Cannabis-Droge herstellen lässt. Solche Artikel wird es im russischen Wikipedia mutmasslich nicht geben. Schliesslich entscheidet eine Expertenkommission, die von der Führung eingesetzt wird, darüber, welche Inhalte aufgenommen werden und welche nicht.
Das Gespräch führte Hans Ineichen.