Eine erfolgreiche 70-Jahr-Feier sei nicht zuletzt für Chinas Präsidenten Xi Jinping wichtig, sagt der chinesische Politologe Wu Qiang. Xi wolle damit zeigen, dass er die volle Kontrolle habe.
Professor Wu gehört zu den kritischen intellektuellen Stimmen in China. Seine Stelle an der renommierten Tsing-Hua-Universität in Peking hat er deshalb bereits verloren.
Die Loyalität des Militärs und die Unterstützung der Partei und der Bevölkerung zeige, dass seine Macht stabil sei. «Xi zeigt damit auch, dass Reformen in Richtung westlicher Demokratie nicht nötig sind», so Wu weiter.
Ich glaube, dass Xi Jinping sich Sorgen macht.
Und so nimmt Wu in seiner Kritik kein Blatt vor den Mund. In der Partei, sagt er, seien keineswegs alle mit der aktuellen Führung zufrieden. «In den letzten sechs Jahren hat Xi Jinping zwar fast alle seine politischen Gegner aus dem Weg geräumt. Doch mit dem Ausbruch des Handelskriegs mit den USA und der eskalierenden Lage in Hongkong ist der Widerstand in der Partei gestiegen.»
Es handle sich dabei um eine Art unsichtbare Opposition: «Wie Wasser. Man kriegt sie nicht zu fassen, sie hat keinen Anführer. Ich glaube, dass Xi sich Sorgen macht», sagt Wu.
Hongkong wird zum Problem für Xi
Noch deutlicher wird der Hongkonger Politologe Willy Lam. Zu seinem Spezialgebiet gehört die kommunistische Partei Chinas. Xi sei von seinen Feinden in den oberen Rängen der Partei dafür kritisiert worden, dass er Hongkong nicht in den Griff bekommt – und dies so kurz vor dem 70. Jahrestag der Staatsgründung. «Xi ist deshalb unter starkem Druck.»
Da die Kommunistische Partei nicht von der Bevölkerung gewählt werde, fehle ihr die demokratische Legitimation, sagt Lam. Sie müsse diese deshalb anderswo finden – etwa im Nationalismus: «Die Chinesen erheben sich zum Beispiel gegen die USA und bauen Militärbasen im Südchinesischen Meer.»
Noch wichtiger aber sei eine anhaltende Wirtschaftsentwicklung: «Der Lebensstandard der Bevölkerung muss sich ständig verbessern.» Das allerdings sei nicht mehr so einfach, wie noch vor ein paar Jahren. So sei die Konjunktur in China nicht zuletzt wegen des Handelskriegs mit den USA ins Stocken geraten.
Xi sitzt trotz allem fest im Sattel
Allerdings ist Xis Position an der Spitze trotz der Unzufriedenheit in Partei und Bevölkerung nicht in Gefahr. Da sind sich beide Experten einig. Lam sagt, Xi drohe kein Machtverlust. Denn wer im chinesischen System Armee und Polizei kontrolliere, kontrolliere auch das ganze Land. Aber: «Die Menschen respektieren ihn nicht mehr so wie früher.»
Und da könne auch eine riesige Militärparade zum Nationalfeiertag nicht darüber hinwegtäuschen. Am Jubiläumsdefilee vom Dienstag in Peking nehmen mehr als 100'000 Personen teil. Die Partei kündigte an, über eine halbe Million Fernsehgeräte an ärmere Haushalte zu verteilen, damit diese die Feierlichkeiten ebenfalls verfolgen können.
Im Zentrum der 70-Jahr-Feier stehen Partei und Regierung.
Mit einer richtigen Teilnahme der Bevölkerung habe die Parade jedoch nichts zu tun, findet Politologe Wu: «Im Zentrum dieser Feier stehen die Partei und die Regierung.» Keine Rolle spielten dabei die Bürgerinnen und Bürger. Ihre Rechte, ihre Freiheiten oder gar eine politische Partizipation würden ignoriert.