Knietief steht Simon im brackigen Wasser, in einem von Dutzenden von Kratern im Kies. Der 14-Jährige schwenkt die Schüssel und hat nach wenigen Minuten schon ein Goldflitterchen gefunden. «Jesus – the Original Superman» steht auf Simons T-Shirt.
Nach einem Tag Arbeit im Flussbett hat der junge Ghanaer einige Franken in der Tasche. Dann fühlt auch er sich wie Superman, kauft sich eine Mahlzeit mit Fleisch oder geht zum Friseur. «Manchmal gebe ich auch meiner Mutter etwas Geld.»
Goldabbau zieht Schulkinder an
Zur Schule geht Simon kaum mehr. Das Gold lockt. Die jungen Männer, welche mit ihren Motorrädern die staubige Dorfstrasse unsicher machen, hatten Simon beeindruckt. «Auf dem Schulweg habe ich ständig die Arbeiter gesehen. Also ging auch ich zur Mine und fing an, ihnen zu helfen.»
Simons Hände sind schwielig und zerschnitten. Die Arbeit ist hart. Der 14-Jährige ist eines von über hundert Kindern, die rund ums ghanaische Dorf Bonsaaso in Kleinminen entlang des Flusses arbeiten. Einige kommen aus dem Dorf, andere von weither. Sie waschen Gold in der Pfanne oder schleppen Kies zur Waschrinne.
Flüsse werden zu Mondlandschaften
In Ghanas Ashanti-Region sind viele Flüsse in Kraterlandschaften verwandelt worden. Überall brummen Motorpumpen. Sie sorgen für Wasserdruck, um das Kies aus dem Flussbett in grossen Stahlrinnen zu waschen. Die Sedimente verwandeln den Fluss in eine trübe Brühe.
«Früher bauten wir hier mehr Kakao an», erzählt Samuel Edu Gyamfi, der Grossvater von Simon. Gold wurde nur in kleinem Rahmen geschürft. Heute wird stärker maschinell gearbeitet, auch im Kleinbergbau – mit Folgen für die Umwelt. Dazu kommt das Quecksilber, mit dem die Minenbesitzer das rohe Gold binden. Reste der giftigen Substanz landen im Fluss.
Ghana ist der wichtigste Goldproduzent Afrikas. Weltweit steht das westafrikanische Land auf Platz sechs. Gold wird industriell gefördert, aber auch in kleinen Minen von Hand abgebaut.
Ausgebuchte Stundenhotels
Der Goldboom hat das Sozialleben im Dorf Bonsaaso verändert. Für ein Kaff in Ghanas Hinterland ist hier erstaunlich viel los. Tausende junge Männer und auch Frauen hoffen in der Gegend auf das schnelle Geld.
Das lokale Gewerbe profitiert von den Goldgräbern. Entlang der Dorfstrasse finden sich Läden für Minenausrüstung, Friseure und viele kleine Restaurants. Die Hotels in der Region sind praktisch alle ausgebucht – viele werden als Stundenhotels benutzt. «Für unsere Gemeinschaft ist das Gold Gift», erklärt Simons Grossvater Samuel Edu Gyamfi, «viele Junge nehmen Drogen und trinken – gespart wird kaum.»
Goldschürfer Simon würde gerne Bankmanager werden. Doch wie soll das gehen, ohne Schulbildung? Und für wie lange wird er Gold waschen? Simon zuckt auf diese Fragen bloss mit den Schultern.
Die Kinderarbeit ist nicht das Schlimmste am Goldabbau.
Yaw Britwum Opoku arbeitet in Ghanas Hauptstadt Accra für die Entwicklungsorganisation Solidaridad. Er sagt, die Kinderarbeit sei nicht das Hauptproblem beim Goldabbau. «Natürlich ist die Kinderarbeit in Ghanas ländlichen Regionen verbreitet. Doch sie betrifft längst nicht nur die Goldminen.»
Gewässerverschmutzung und Landzerstörung träfen viel mehr Menschen, erklärt Opoku. Teilweise werden ganze Kakaofarmen umgepflügt, auf der Suche nach dem Edelmetall. In der Kraterlandschaft wird über Jahre keine Landwirtschaft mehr möglich sein.
Ghanas Staat kontrolliert die Minen kaum
Und doch wäre ein Verbot des Kleinbergbaus der falsche Weg, erklärt Opoku: «Ein Drittel von Ghanas Gold wird von Hand geschürft.» Der Kleinbergbau ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. «Doch der Goldabbau muss sauberer werden», findet Opoku.
In den letzten Jahren kam Bewegung in den weltweiten Goldmarkt. Die Herkunft des Goldes und der faire Abbau wurde für viele Raffinerien zum Thema. Grosse Minenfirmen lassen sich zertifizieren. Doch die tausende Kleinminen in Ghana können kaum reguliert werden.
Eigentlich wäre es an Ghanas Staat, hier für Ordnung zu sorgen. Doch die Kontrolle bleibt schwierig, auch aufgrund der Korruption. Staatliche Anläufe, für mehr sauberes Gold zu sorgen, scheiterten bisher.
Täglich passieren Unfälle
In einem der Kieskrater der Mine blutet ein junger Goldgräber an der Hand. Ein Mitarbeiter hat ihn mit der Spitzhacke verletzt. «Und das alles nur wegen des Geldes», seufzt Esther Amakye. Die 23-jährige ist nach Bonsaaso gekommen, um Startkapital für einen Laden in ihrem Heimatdorf zu verdienen. Auch wenn die Arbeit gefährlich sei: «Man kann etwa jederzeit in eine Grube hinunterfallen.»
Die junge Frau läuft barfuss in der Mine herum, auf dem Kopf ein mit Kies gefülltes Metallbecken, das sie zur Waschrinne trägt. Unfälle sind in den Minen an der Tagesordnung, das bestätigt eine Mitarbeiterin im lokalen Gesundheitszentrum.
Besonders heikel ist der Umgang mit Chemikalien. In diesem Jahr starben bereits dutzende Menschen in Ghana und Burkina Faso bei Explosionen, welche mit dem Goldabbau im Zusammenhang standen.
Die Minenarbeiter streichen dem Verletzten eine Kräuterpaste auf die Hand. Dann wird weiter malocht in Ghanas Kraterlandschaft. Für ein paar Franken am Tag.