Ende Januar wurde SRF-Korrespondentin Luzia Tschirky in der belarussischen Hauptstadt Minsk zusammen mit zwei Bekannten, Anisja Kasljuk und Juli Iljuschenko, festgenommen. Eine der Festgenommenen, Anisja Kasljuk, kam am Samstag frei. Im Interview mit der SRF-Korrespondentin spricht sie über ihre Erfahrungen in belarussischen Gefängnissen.
SRF News: Wie lange waren Sie nach der Festnahme ohne sauberes Trinkwasser?
Ich wurde erst fünf Tage nach der Festnahme aus dem Zentrum für Gesetzesbrecher ins Gefängnis nach Schodino gebracht, rund 50 Kilometer nordöstlich von Minsk. Bis zu meiner Verlegung hatte ich keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und keine Matratze.
Wie erklären Sie sich, dass man mit euch besonders hart umging, im Vergleich zu den anderen rund 25 Personen, die ebenfalls auf der Polizeistation festgehalten wurden?
Wir haben die Mitarbeiter auf der Polizeistation wohl zur Weissglut getrieben, da wir uns gegen Rechtsverstösse geäussert haben. Als man uns beispielsweise ein Festnahmeprotokoll ausstellen oder uns verhören wollte, ohne sich an den vorgeschriebenen Ablauf zu halten, und wir uns weigerten, dieses Dokument zu unterschreiben.
Wann haben Sie Juli Iljuschenko zum letzten Mal nach der Festnahme gesehen?
Wir sassen noch mehrere Stunden gemeinsam auf der Polizeistation, bis man uns um zwei Uhr nachts, zwölf Stunden nachdem man uns festgesetzt hatte, in unterschiedlichen Kastenwägen ins Zentrum für Gesetzesbrecher fuhr.
Diese Haftbedingungen hören sich nach Folter an...
Es geht darum, dass man die Menschen möglichst stark zu erniedrigen versucht. Uns hat man im Zentrum für Gesetzesbrecher gesagt: «Ihr seid politische Häftlinge und deswegen stehen euch Matratzen gar nicht zu. Ihr könnt euch die Fragen sparen.» Wir mussten uns zu fünft eine Zahnbürste teilen, ich konnte erst sieben Tagen nach der Festnahme erstmals duschen.
Wie waren die Haftbedingungen im Gefängnis in Schodino?
Wir waren zehn Frauen in einer kleinen Zelle, die rund drei Meter auf fünf Meter misst. Es war sehr kalt in der Zelle. Man hat uns nicht erlaubt, uns tagsüber auf den Betten zu sitzen, deswegen kommen die meisten Frauen mit Unterkühlungen aus den Zellen. Verglichen mit dem Zentrum für Gesetzesbrecher waren die Haftbedingungen aber gut, wir hatten endlich Matratzen.
Wart ihr im Gefängnis gezwungen, den ganzen Tag in der Zelle zu stehen?
Es gab Sitzbänke, aber diese waren hart und kalt. Alle Frauen bei uns in der Zelle haben vom Sitzen blaue Flecken bekommen, da wir uns auch nicht mit unseren Jacken auf die Bänke setzen durften. Ich hatte in den ersten Tagen dermassen starke Schmerzen, dass ich nicht sitzen konnte und stattdessen versucht habe, durch die Zelle zu gehen. Aber da man kein normales Essen bekommt, fehlt einem die Kraft dafür.
Wie hat sich Ihr Blick auf die Haftbedingungen durch Ihre eigenen Erfahrungen verändert?
Da ich dieses System nun von innen gesehen habe, werde ich in Zukunft, wenn es darum geht, Beschwerden gegen Haftbedingungen zu schreiben, den Freigekommenen gezielter Fragen stellen können. Beispielsweise werde ich mich im Detail nach der Qualität des Wassers erkundigen, ob die Matratzen desinfiziert werden, und wie es um das Licht in der Zelle steht. Während vier Tagen brannte in unserer Zelle pausenlos Licht. Als wir uns beschwerten, hiess es, der Lichtschalter sei kaputt.
Das Gespräch führte Luzia Tschirky.