Diesen Sonntag startet in Peking der 20. nationale Parteikongress der kommunistischen Partei. Wichtigstes Traktandum: Die Wiederwahl von Präsident Xi Jinping. Er soll eine dritte Amtszeit erhalten. Etwas, das seit dem Tod von Staatsgründer Mao Zedong kein Präsident in China erhalten hat. Wer ist der Mann, der im Zentrum dieses historischen Moments steht?
Es gibt zwei Xi Jinpings. Zum einen der Mann, der sich vom Landarbeiter in der Provinz an die Spitze Chinas hochgearbeitet hat. Als fleissigen und cleveren Arbeiter beschreiben die ehemaligen Dorfmitbewohner Xi in Propaganda-Dokumentarfilmen. Er scheute die harte Arbeit auch bei Wind und Wetter nicht. Und wenn er nicht hart gearbeitet hat, hatte er immer ein Buch dabei und gelesen. So das Bild, das Chinas Propaganda vom Staatsführer zeichnet.
Ein Bild, das stark kontrastiert mit dem der Xi-Kritiker: Diese setzen ein Fragezeichen hinter Xis Bildung und sehen in erster Linie einen Prinzling: Ein Sohn eines hohen Parteifunktionärs, der nur dank seines Vaters so hoch aufsteigen konnte.
Vom Prinzen zum Arbeiter und zurück
Beide Bilder passen auf Xis Biografie: Tatsächlich war Xis Vater ein angesehener Mitstreiter von Staatsgründer Mao Zedong. Vater Xi fiel aber im Verlaufe der Mao-Regentschaft in Ungnade. Das hat auch Sohn Xi Jinping zu spüren gekriegt. Er wurde während Maos kulturellen Revolution als Arbeiter aufs Land geschickt.
Nach dem Tod Maos wurde Xis Vater rehabilitiert. Sohn Xi konnte seine eigene Funktionärskarriere lancieren – unterstützt von mächtigen Parteimitgliedern.
Stark unterstützt haben soll Xi auch seine Mutter, die ebenfalls gut vernetzt ist in der kommunistischen Partei. Auch sie soll eine wichtige Rolle gespielt haben bei Xis Karriere, sagen Beobachterinnen.
Eine Mutter, die weiss, wen man wann anrufen muss, um die nächste Hierarchiestufe zu erklimmen, und ein berühmter Vater – das sind sicher gute, ja gar nötige Voraussetzungen für einen Aufstieg, wie Xi ihn gemacht hat. Es reicht aber nicht, um in China Präsident zu werden.
Der Glaube an die Partei
Dazu braucht es zum Beispiel auch das Geschick, sich schadlos zu halten von jeglichen Skandalen. Und China-Beobachterinnen und -Experten sehen in Xi einen Machtpolitiker, der getrieben sei durch seine Ideologie und seinen unerschütterlichen Glauben an die kommunistische Partei.
Das sagt unter anderem Kerry Brown. Der Professor für China-Forschung am Kings College in London hat gerade ein Buch über Xi veröffentlicht. «Er glaubt an etwas in einem Land, in dem die meisten an nichts glauben.»
Xi sei vor allem auch ein Produkt der Partei und nicht einfach ein machtbesessener Autokrat. Er passe auf die Funktion des charismatischen, gut vernetzen Führers, wie ihn die Partei im Moment brauche, meint Brown.
Dabei ist Xi auch nach zehn Jahren an der Spitze Chinas für viele nicht greifbar. Ausser Propaganda dringt praktisch nichts über ihn nach aussen. So mag der Präsident ein Produkt der Partei sein. Umgekehrt gilt aber auch: Die Partei ist ein Produkt Xis. Er hat sie nach seinen Vorstellungen geformt.
Korruption oder Ideologie
Zum Beispiel versprach er bei seinem Amtsantritt 2012 gegen die Korruption vorzugehen. Inzwischen wurden geschätzte vier Millionen Funktionäre wegen Korruption verurteilt. Kritiker weisen darauf hin, dass darunter vor allem Funktionäre sind, die nicht auf Xis Linie politisiert haben. So mag es heute weniger korrupte Beamte geben. Aber auch weniger politische Gegenspieler, die Xis ideologische Politik oder ihn angreifen könnten.
Deshalb wird mit grösster Wahrscheinlichkeit nächste Woche der Prinzling zum König gekrönt. Zudem erwarten Expertinnen und Beobachter, dass Xi Ehrentitel erhält, wie sie Mao getragen hat, und das Festschreiben von Xis Gedankengut in der chinesischen Verfassung. Und natürlich erhält er eine weitere Amtszeit – die Dritte –, die viele China-Kenner als Führungsanspruch auf Lebzeiten interpretieren.