In der neuesten Anhörung des Untersuchungsausschusses zum Angriff auf das US-Kapitol haben weitere Zeugen neue Details zu den Ereignissen am 6. Januar 2021 offengelegt, die den ehemaligen Präsidenten Donald Trump belasten. Der USA-Korrespondent von SRF, Pascal Weber, ordnet ein.
SRF News: Was haben die bisherigen drei Hearings hervorgebracht?
Pascal Weber: Die bisherigen drei Hearings haben bisher kaum etwas sensationell Neues an die Öffentlichkeit gebracht. Sie haben aber vieles, was die Öffentlichkeit bisher in groben Zügen wusste, mit einer akribischen Beweiskette detailliert nachgezeichnet. Und es wird offensichtlich, dass der Untersuchungsausschuss auf Donald Trump selbst abzielt.
Es soll aufgezeigt werden, dass Trump nach Wegen gesucht hat, die friedliche Machtübergabe zu verhindern.
Was ist die Strategie des Untersuchungsausschusses?
Die bisher aufgeführten Zeugen kommen ganz bewusst allesamt aus dem inneren Kreis von Trump. Der Ausschuss will mittels dieser Zeugen öffentlich für alle sichtbar aufzeigen, dass Trump wusste, dass er die Wahlen verloren hatte und dass seine Behauptung von den gestohlenen Wahlen eine Lüge war.
Weiter soll auch aufgezeigt werden, dass Trump trotz dieses Wissens nach Wegen gesucht hat, die friedliche Machtübergabe zu verhindern. Er habe gewusst, dass er weder das Recht hatte, noch dass es rechtens war, seinen Vize Mike Pence zu bedrängen, die Wahl von Biden zum 46. Präsidenten am 6. Januar 2021 zurückzuweisen.
Die Erstürmung war also kein isoliertes Ereignis, sondern der Kulminationspunkt eines verfassungswidrigen Versuchs von Trump, an der Macht zu bleiben. Das Ziel ist offensichtlich. Der Ausschuss will zunächst einmal historisches Zeugnis ablegen, versucht aber auch den Nachweis zu erbringen, dass Trump log, dass er gegen Recht und Verfassung handelte, und dass er dies wusste.
Welche Folgen können diese Anhörungen für Trump denn haben?
Es ist die grosse offene Frage, ob er für seine Handlungen – oder für unterlassene Handlungen – rechtlich belangt wird. Der Untersuchungsausschuss kann nicht rechtlich gegen ihn vorgehen. Er kann nur Empfehlungen abgeben. Die bisherigen Anhörungen lesen sich zwar wie das Ausrollen eines Skripts für eine Anklageschrift. Der Ausschuss ist sich aber selbst uneins, ob es überhaupt das Ziel sein sollte, Trump vor Gericht zu stellen.
Es ist klar, dass das Justizministerium irgendwann in diesem Prozess Stellung beziehen und erklären muss, weshalb Trump angeklagt werden soll oder weshalb nicht.
Das Justizministerium wiederum, welches diesen Schritt tun müsste, hält sich bedeckt. Justizminister Garland sagte, dass er selbstverständlich jede einzelne dieser Anhörungen genau verfolgen würde. Jede Ermittlerin in seinem Ministerium, die sich mit dem Sturm auf das Kapitol befasse, würde diese Anhörungen ebenfalls von der ersten bis zur letzten Sekunde anschauen.
Garland liess aber keine weitere Positionierung seines Ministeriums durchblicken. Es ist aber klar, dass das Justizministerium irgendwann in diesem Prozess Stellung beziehen und erklären muss, weshalb Trump angeklagt werden soll oder eben weshalb nicht.
Wie steht die Bevölkerung nach den Debatten zur Primetime zu den Hearings?
Ich kann mir kaum vorstellen, dass diese Anhörungen die allgemeine Meinung ändern werden. Wer davon ausgegangen ist, dass Trump rechtswidrig versuchte, an der Macht zu bleiben, sieht sich bestärkt. Wer das schon bislang nicht anerkannte, wird es auch in Zukunft nicht anerkennen.
Erst vorletzte Nacht wurden in zwei Bundesstaaten in innerrepublikanischen Vorwahlen Kandidierende gewählt, die die Wahllüge Trumps entgegen aller Evidenz stützen und offen angeben, dass sie Bidens Wahl nie zertifiziert hätten. Die amerikanische Demokratie ist noch lange nicht gesichert.