Das turbulenteste Jahr von Juraj Seligas Leben begann mit einer Push-Nachricht auf seinem Handy: «Beep! Ein Journalist und seine Verlobte ermordet!» Juraj Seliga, 27 Jahre alt, Doktorand, war entsetzt – und sein Entsetzen wuchs.
Bald stellte sich heraus, dass das Paar wohl ermordet wurde, weil Jan Kuciak zu viel wusste über zu mächtige Geschäftsmänner – Männer mit Verbindungen zur italienischen Mafia und ins Büro des slowakischen Premierministers. Seliga organisierte zusammen mit Freunden einen Gedenkmarsch für Kuciak. Mehr hatten sie nicht geplant.
Ex-Premier Fico unter Druck gesetzt
Doch dann legte Regierungschef Robert Fico im Fernsehen 15 dicke Bündel Banknoten auf den Tisch. Eine Million Euro als Belohnung für Hinweise zum Mord. Und sprach – nein, nicht von Mitgefühl oder vom Kampf gegen die Korruption – sondern von angeblich bezahlten Strassenprotesten.
«Fico sagte, wir würden von einer ausländischen Macht bezahlt und behauptete, wir planten einen Staatsstreich.» Erst da, sagt Seliga, hätten er und seine Freunde beschlossen, «Za Slušné Slovensko», die Bewegung für eine «anständige Slowakei», zu gründen. Unter diesem Motto gingen in den nächsten Wochen Zehntausende auf die Strasse, bis Fico nach gut einem Monat zurücktrat.
Die Köpfe der Regierung sind seither andere. Die Koalition, die sich in der Slowakei die Macht teilt, ist aber nach wie vor dieselbe. Kritiker sagen deshalb, «Za Slušné Slovensko» habe sich mit einem scheinbaren Sieg zufriedengegeben.
Die Bürger haben wieder das Gefühl, dass sie die Macht im Land haben.
Seliga hält dagegen: Mehr sei zu jenem Zeitpunkt ohne Gewalt nicht zu erreichen gewesen. Und die Bewegung habe nichts weniger erreicht, als die politische Kultur in der Slowakei zu verändern. «Die Bürger haben wieder das Gefühl, dass sie die Macht im Land haben und die Politiker sind vorsichtiger geworden. Sie wissen, dass sie die Leute nicht zu sehr verärgern dürfen.»
Folgt ein Wechsel an der Urne?
Seliga hat Augenringe. Rund um den Jahrestag organisiert «Za Slušné Slovensko» Demonstrationen, Konzerte, Diskussionen – alle mit dem Ziel, die Menschen in der Slowakei weiterhin zu mobilisieren.
Denn auch für den jungen Verfassungsrechtler ist klar: Wirklich anständiger kann die Slowakei nur werden, wenn Politiker und ihre Parteien an der Urne zur Rechenschaft gezogen werden. Dafür gibt es in der Slowakei Gelegenheiten genug; Präsidentschaftswahlen im März, Parlamentswahlen voraussichtlich in einem Jahr.