Die Europahymne lässt sich an der Delegiertenversammlung der Demokratischen Koalition (DK) kaum stoppen. Kaum ist der letzte Akkord verklungen, schmettert Beethovens «Ode an die Freude» schon wieder durch den Saal des Budapester Kongresszentrums.
Das passt, denn die stärkste Oppositionspartei Ungarns gibt sich als weltoffene Alternative zur nationalistischen Fidesz-Partei von Regierungschef Viktor Orban.
Alleine geht nicht, zusammen ging nicht
Die spannendsten Diskussionen finden draussen, vor dem Kongresszentrum, statt. ‹Wie kann man gegen Orban gewinnen?›, fragen sich einfache Parteimitglieder.
«Die DK muss die Regierungsgegner anführen», meint Attila, ein Geschäftsmann aus der Hauptstadt Budapest. «Schliesslich ist sie die stärkste Oppositionspartei.» Nur: Auch die DK kommt in aktuellen Umfragen auf gerade mal 18 Prozent der Stimmen, Orbans Fidesz auf rund fünfzig.
«Die Regierungsgegner müssen geeint antreten. Einzeln sind wir chancenlos», argumentiert Imre, der aus einem südungarischen Roma-Dorf an die Versammlung gekommen ist. Nur: Als vereinte Opposition sind die sechs grössten Oppositionsparteien vor einem Jahr gescheitert
Ex-Spitzenkandidat gesteht Fehler ein
Der Schuldige für das Wahldesaster sitzt in den Augen vieler Anhänger der DK im Rathaus von Hódmezövásárhely. In der südungarischen Kleinstadt ist der letztjährige Spitzenkandidat der vereinten Opposition Bürgermeister.
Die Demokratische Koalition hat nichts gemacht für unsere gemeinsame Kampagne.
Peter Marki-Zay gibt zu, dass ihm einiges misslungen ist. «Ich habe es nicht geschafft, die Parteien auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören.» Aber er sei von den anderen Kräften in der Opposition auch im Stich gelassen worden – insbesondere von der DK: «Die hat gar nichts gemacht für unsere gemeinsame Kampagne.»
Die Regierungsgegner müssen geeint antreten. Einzeln sind wir chancenlos.
Umstrittene neue Spitzenkandidatin
Die grosse Zukunftshoffnung der grössten Oppositionspartei heisst Klara Dobrev. Nur: Die ist selbst für viele Regierungsgegner nicht wählbar. Das Problem ist Dobrevs Ehmann, Ferenc Gyurcsány.
Wenn sich an den Umständen – Wahlrecht, Medienmacht und Finanzmittel – nichts ändert, hat die Opposition null Chancen.
Gyurcsány ist nicht nur Präsident der DK. Er war auch der letzte ungarische Regierungschef vor Orban. Und als solcher machte er sich völlig unmöglich, als er sagte, seine Regierung lüge von morgens bis abends.
«Man soll Leute nicht nach ihrer Verwandtschaft beurteilen», verteidigt Vize-Parteipräsidentin Vadai die Entscheidung für Klara Dobrev.
Marki-Zay, der letzte Spitzenkandidat der Regierungsgegner, ist dagegen überzeugt: Niemand, der eng mit dem früheren Regierungschef Gyurcsány verbunden ist, habe bei Wahlen in Ungarn eine Chance. «Mein einziger Vorteil bei den letzten Wahlen war, dass ich ganz offensichtlich keine Marionette des früheren Regierungschefs gewesen bin.»
Übermächtiger Orban
Einig sind sich die ungarischen Regierungsgegner nur in einem Punkt: Gegen Orbans Fidesz zu gewinnen, ist schwierig. Das Wahlrecht, die Mehrzahl der ungarischen Medien, die finanziellen Mittel – all das begünstigt die Regierungspartei. «Wenn sich daran nichts ändert, hat die Opposition null Chancen», glaubt Marki-Zay.
Und dass sich in Ungarn bald etwas ändert, ist kaum wahrscheinlich. Viktor Orban hat das Land mit seiner Zweidrittelmehrheit im Parlament fest im Griff.