Ungarns umstrittener Regierungschef Viktor Orban kann noch einmal vier Jahre lang durchregieren, es ist seine fünfte Amtszeit. Diesmal dürften ihn – das Endergebnis steht noch aus – sogar mehr Ungarinnen und Ungarn gewählt haben als vor vier Jahren.
Orban-Gegner mit schlechteren Karten
Ob es den Orban-Gegnern im In- und Ausland gefällt oder nicht: In den Augen vieler Ungarinnen und Ungarn hat Orban einiges richtig gemacht – und seine Gegner einiges falsch. Orban ist gefährlich für die Demokratie in Ungarn und in Europa, es bräuchte aber neue Rezepte, um diese Gefahr zu entschärfen.
Das Wahlsystem begünstigt Orban, in den Staatsmedien kommen seine Gegner kaum vor. Zwar hat man in Rumänien, wo viele Ungarischstämmige leben, weggeworfene Wahlzettel gefunden – auf vielen davon galt das Kreuz nicht Orbans Partei. Zwar gibt es, wie jedes Mal bei Wahlen in Ungarn, Hinweise auf Druck von Arbeitgebern auf Arbeitnehmerinnen, Orban zu wählen.
Bild des Friedenstifters heraufbeschworen
Alles das aber brauchte Orban gar nicht, um die Wahlen zu gewinnen, denn zu deutlich ist sein Sieg. Es ist ganz einfach so, dass viele Ungarinnen und Ungarn möchten, dass er weiterregiert. Das liegt daran, dass Orban sagt, er werde Ungarn unter allen Umständen aus dem Krieg im Nachbarland Ukraine heraushalten. Und er werde dafür sorgen, dass das Gas nicht teurer wird.
Das liegt daran, dass Orbans Medien die vielen Ungarinnen und Ungarn abholen, die Sympathien für Russland haben, indem sie der Ukraine zumindest Mitschuld am Krieg geben.
Es liegt auch daran, dass Orban grosszügig Geschenke verteilt an Familien, Konsumentinnen, Rentner. Zudem liegt es daran, dass es vielen Menschen heute in Ungarn besser geht als vor zehn Jahren, je nach Standpunkt wegen, trotz oder einfach mit Orban.
Gegner traten nie als Einheit auf
Orbans Gegner hatten mit Peter Marki-Zay zwar einen einzigen, gemeinsamen Spitzenkandidaten – aber viele verschiedene Botschaften. Sogar hinter dem Rücken ihres Spitzenkandidaten: Mitglieder seines Bündnisses redeten offen schlecht über Marki-Zay. Offensichtlich fanden viele Menschen in Ungarn, solche Orban-Gegner seien keine sinnvolle Alternative.
Offensichtlich lässt sie auch die Kritik aus dem Ausland kalt: Orbans zunehmende Kontrolle über Wirtschaft, Justiz, Medien, Kultur – sie spielt für viele Menschen im Alltag keine grosse Rolle. Kritik aus dem Ausland mit Stichworten wie Demokratieabbau, Korruption und Rechtsstaatlichkeit kommt zu abstrakt daher.
Finanzen in Ordnung gebracht
Viele Menschen haben nicht vergessen, dass die Europäische Union Ungarn vor zehn Jahren mit Geldentzug drohte, sollte das Land seine Schulden nicht abbauen. Nach der Finanzkrise wirkte das so, als würde die EU das arg gebeutelte Ungarn im Stich lassen. Viktor Orban war es schliesslich, der die Finanzen in Ordnung brachte.
Heute nun mag Geldentzug aus Brüssel der einzige Weg sein, Orban davon abzuhalten, die Demokratie weiter auszuhöhlen. Mit dem Krieg in der Ukraine ist ein ernsthafter, schmerzhafter Geldentzug aber kaum mehr denkbar.
Denn die EU will vor Russland geeint auftreten – schwierig genug mit vier weiteren Jahren Orban. Und Orbans Chance, seine Politik weiterhin rücksichtslos durchzusetzen.