Vor einem Jahr einigten sich die USA und Mexiko auf ein Migrationsabkommen. Migranten aus Mittel- und Südamerika, die ohne die nötigen Dokumente via Mexiko in die USA einreisen wollen, müssen für die Dauer ihrer Verfahren in Mexiko bleiben. Dort leben sie unter prekären Verhältnissen. Aus Sicht der USA sei das Abkommen ein Erfolg, sagt die Journalistin Sandra Weiss in Mexiko.
SRF News: Wie wirkt sich der Migrationspakt zwischen Mexiko und den USA aus?
Sandra Weiss: In den letzten Monaten des Vorjahres sind im Schnitt 40 Prozent weniger Menschen beim illegalen Grenzübertritt aufgegriffen worden als in den ersten Monaten 2019. Aber für Mexiko ist es kein tolles Abkommen, denn Mexiko trägt jetzt die Hauptlast und die Kosten. Es muss nun die Flüchtlinge mithilfe der neuen Nationalgarde aufhalten und später abschieben. Mexiko beherbergt die Asylsuchenden gibt ihnen zu essen, teilweise bis zu einem Jahr, denn so lang kann das Verfahren dauern.
Über 100’000 Menschen wurden im letzten Jahr abgeschoben. Aber die Zahl derer, die durchschlüpfen, ist deutlich höher.
Ist der Druck aus dem Süden nicht geringer geworden?
Die Lage in Mittelamerika ist eher schlechter als besser geworden, wirtschaftlich und sozial gesehen. Die Mordrate in Honduras ist wieder gestiegen. In Guatemala hat ein Ultrarechter die Macht übernommen, der die Wirtschaft vor alles andere stellt und alle Fortschritte im Sozialen und in Sachen Transparenz wieder rückgängig macht. In El Salvador hat man noch ein bisschen Hoffnung, da führt der Präsident einen sozialen Diskurs und die Mordrate ist etwas gesunken. Dafür fliehen jetzt viele Nicaraguaner vor der Diktatur von Daniel Ortega. Alles in allem hält der Auswanderungsdruck an. Es geht tröpfchenweise weiter. Über 100’000 Menschen wurden im letzten Jahr allein in Mexiko erwischt und abgeschoben. Aber die Zahl derer, die doch irgendwie durchschlüpfen, ist natürlich deutlich höher.
Sie sagen, es gehe tröpfchenweise weiter, mit weniger Menschen und kleineren Karawanen?
Ja, die Karawanen sind weniger geworden. Die sind auch eher ein politisches Phänomen, bei dem die Migranten instrumentalisiert werden. Diese unsichtbare Mauer in Mexiko hat dazu geführt, dass das Menschen-Schmuggeln nun sehr viel teurer geworden ist. Ich habe mit Migranten in Honduras gesprochen, die sagten mir, dass es derzeit 10’000 bis 12’000 US-Dollar koste, damit ein Schmuggler sie irgendwie rüberbringe. Die Allerärmsten können das nicht bezahlen. Für die sind die Karawanen die einzige Hoffnung, doch noch in die USA zu kommen.
Fazit: Hat dieses Abkommen dazu geführt, dass Mexiko selbst zur Mauer geworden ist?
Die mexikanische Regierung lehnt das strikt ab. Aber im Prinzip ist es richtig. Trump hat es geschafft, Mexiko in die Mauer zu verwandeln. Es ist zwar keine physische Mauer, sondern eine aus Sicherheitskräften und Rechtsmitteln. Trump hat erreicht, dass Mexiko nun den Grossteil der Kosten zur Eindämmung der Migration in die USA übernimmt.
Das Gespräch führte Hans Ineichen.