Immer wieder explodieren Raumschiffe bei Testflügen, zuletzt die «Starship»-Rakete des US-Raumfahrtunternehmens SpaceX. CEO Elon Musk scheint diese Risiken bewusst in Kauf zu nehmen. Warum das Teil seiner Strategie ist und welche Auswirkungen diese hat, erklärt Raumfahrtexperte Volker Gass.
SRF News: Warum ist der Testflug missglückt?
Volker Gass: Wie es genau kam, ist noch nicht bekannt. Aber eine Rakete ist ein riesiger Sprengsatz; da braucht nicht viel schief zu gehen, dass diese explodiert. Elon Musk hat erwähnt, es könnte ein Sauerstoff-Leck schuld gewesen sein – und Sauerstoff ist ein Brennstoff. Es braucht nur einen Funken und das teure Feuerwerk geht los.
Warum kommt es bei SpaceX-Raketen immer wieder zu Explosionen?
Raketen zu starten und zu fliegen, ist schwierig. Die Philosophie von SpaceX ist extrem aggressiv und kommerziell. In meinem Ermessen arbeitet Musk in einem Trial-and-Error-Verfahren, wo Fehler erlaubt sind. Er möchte lieber schneller testen, als jedes Pünktli und jeden Strich hinzustellen, um auch davon zu lernen. Hinter dieser agilen Entwicklungsphilosophie steckt die Idee, so schnell wie möglich zu testen und mit dem Gelernten den nächsten Prototyp herzustellen.
Warum braucht es diese Schnelligkeit?
Laut meiner Einschätzung ist sehr viel marktgetrieben, also von Shareholder-Value getrieben. Die Börse braucht oft und schnell Resultate, damit etwas vorangeht. Und das setzt auch einen Riesendruck auf, Produkte schneller auf den Markt zu bringen.
Am Ende lohnt es sich für Musk, wenn SpaceX dadurch den Markt erobert.
Auch beispielsweise Smartphones kommen unfertig auf den Markt und es werden dann fast jede Woche Softwareänderungen reingesteckt. Die Philosophie bei «Starship» ist ähnlich: Es funktioniert oder es funktioniert nicht. Auf beiden Wegen kann man viel davon lernen. Und wenn es öfters explodiert, hat man halt ein bisschen weniger gelernt.
Solche Raketen kann man nicht zum Schnäppchenpreis kaufen. Warum lohnt es sich für Raumfahrtunternehmen wie SpaceX trotzdem, auch wenn Raketen kurz nach dem Start explodieren?
Am Ende lohnt es sich, wenn SpaceX dadurch den Markt erobert. Irgendwann wird die Rechnung von den Kunden bezahlt, die den Service annehmen. Elon Musik hat eine sehr hohe vertikale Integration. Das heisst, er kauft wenig Produkte ein und kontrolliert die gesamte Produktionskette stark. So kontrolliert er, wo Verlust gemacht wird oder wer ihm Geld leiht. Ich finde diese Vorgehensweise nicht nachhaltig bezüglich Umwelt. Aber die Leute stecken Geld rein, um Profit zu machen.
Auch Amazon-Gründer Jeff Bezos hat eine Rakete ins All geschickt. Wie prägen diese beiden Männer die aktuelle Entwicklung in der Raumfahrt?
Andere Akteure, auch die Europäische Weltraumorganisation (ESA), sind nervös. Denn der Preis pro Kilo Fracht ins All sinkt sehr stark. Es ist schwierig, die Kosten zu decken. Ob das Ganze am Ende eine Rentabilität hat, ist schwierig zu sagen.
Solange der Eindruck besteht, dass sich mit einem Unternehmen Geld machen lässt, sind andere Faktoren egal.
Aber das ist eben diese Flucht nach vorne: Die Bewertung einer Firma basiert auf dem Aktienkurs oder dem Aktionärswert. Solange der Eindruck besteht, dass sich mit einem Unternehmen Geld machen lässt, sind andere Faktoren egal. Hätte SpaceX diese Rakete nicht gestartet, wäre der Aktienkurs möglicherweise gefallen. In den vergangenen Monaten zeigte sich, dass solche Vorfälle oft wenig Einfluss auf die Bewertung haben. Wichtiger ist die Performance.
Das Gespräch führte Tim Eggimann.