Zum ersten Mal ist es der privaten Raumfahrt-Firma SpaceX von Elon Musk gelungen, das grösste jemals gebaute wiederverwendbare Raketensystem sicher zur Startrampe zurückzubringen. Wissenschaftsjournalist und Raumfahrtexperte Karl Urban schätzt ein, wie bedeutend dieser Erfolg ist und wie es um die Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit solcher Raketen steht.
SRF Wissen: Wie gross ist dieser Schritt in der Geschichte der Raumfahrt?
Karl Urban: Es ist zunächst mal eine grosse Ingenieursleistung. Eine 71 Meter hohe, neun Meter breite und über 275 Tonnen schwere Raketenstufe wieder heil zum Boden zurückzubringen, ist bisher niemandem gelungen. Für das Starship hat SpaceX ein neues Verfahren entwickelt. Anders als bei der Falcon 9, die auf ausfahrbaren Beinen landet, wird die Erststufe des Starships – Super Heavy genannt – von zwei grossen Roboterarmen an einem Stahlturm eingefangen. Das erfordert zentimetergenaue Navigation, da ein Fehler die Landeanlage zerstören könnte.
Vier Vorgänger-Raketen haben die Reise ins All nicht überstanden. Das ist teuer. Sind wiederverwendbare Raketen wirklich günstiger als Einweg-Raketen?
Ob wiederverwendbare Raketen im Betrieb wirtschaftlich erfolgreicher sind als solche, die nach dem Ausbrennen verglühen oder ins Meer stürzen, ist eine komplexe Frage, die seit über einem Jahrzehnt leidenschaftlich geführt wird. SpaceX verweist gerne auf seine Rakete Falcon 9, deren Erststufen mittlerweile wahre Veteranen sind. Erst am 7. Oktober ist die ESA-Raumsonde Hera von einem Booster gestartet worden, der vorher schon 23-mal verwendet worden war, darunter für zwei astronautische Missionen.
SpaceX ist aktuell weltweit betrachtet der Spitzenreiter bei gestarteten Satelliten. Allerdings sind die SpaceX-Raketen auch deshalb günstig, weil sie auf dem sehr lukrativen US-Markt angeboten werden, für sehr interessierte und zugleich zahlungskräftige Auftraggeber wie die Nasa oder das US-Verteidigungsministerium.
Der wirtschaftliche Nutzen steht oft im Fokus. Doch wie steht es um die ökologische Nachhaltigkeit dieser Raketen?
Eine Raketenstufe, die zum Boden zurückkehrt, verbrennt etwas mehr Treibstoff. Die grösseren Probleme der Raumfahrt entstehen aber gar nicht bei den Abgasen der Raketen: Das ist zunächst der Weltraumschrott. Gerade Oberstufen der Raketen werden noch immer häufig im Orbit zurückgelassen, wo sie über die Jahre aktive Satelliten zerstören können. Wenn Raketenstufen dagegen verglühen, ist dieses Problem zwar gebannt, aber es entsteht ein neues: Denn die Metalle an Bord verwandeln sich dabei in winzige Partikel, die nicht alle sofort zum Boden sinken.
Je mehr Satelliten, Raumkapseln oder Raumstationen ins All befördert werden, desto mehr Sinn macht Wiederverwendbarkeit.
Eine Studie von US-Forschern hat im vergangenen Jahr gezeigt, dass mittlerweile jedes zehnte Aerosolpartikel in der Luftschicht der Stratosphäre von verglühten Raumfahrzeugen stammt. Was das ökologisch bedeutet, ist noch kaum erforscht, aber es könnte daraus bald ein neues Problem für die Ozonschicht erwachsen. Raketen gar nicht verglühen und stattdessen landen zu lassen, ist also ein vergleichsweise sauberer Weg.
Unterm Strich: Wann ist es wirklich sinnvoll, auf solche wiederverwendbare Raketen zu setzen?
Wiederverwendbarkeit macht umso mehr Sinn, desto mehr Satelliten, Raumkapseln oder Raumstationen ins All befördert werden. Im aktuellen Raumfahrtboom sollten das alle Akteure versuchen. Um die anderen negativen Folgen der Raumfahrt zum Beispiel für die Atmosphäre einzugrenzen, reicht das aber vermutlich nicht.
Das Gespräch führte Nina-Lou Frey.