Klimafreundlicher und sicherer soll sie werden, die Energieversorgung der britischen Bevölkerung. Das versprach Premierminister Boris Johnson vergangene Woche nach der energiepolitischen Weichenstellung seiner Regierung. Die wichtigsten Punkte in der Übersicht:
Was ändert sich? Neu ist, dass Grossbritannien wieder stark auf Atomkraft setzen will. Heute kommen 18.7 Prozent des britischen Stroms aus Atomkraftwerken. In naher Zukunft soll es schon ein Viertel sein. Premierminister Boris Johnson kündigt an: «Wir wollen in den nächsten acht Jahren jedes Jahr ein neues Atomkraftwerk in Betrieb nehmen. Ein AKW pro Jahr – und nicht eines pro Jahrzehnt.»
Wie soll die Rückkehr zur Atomkraft gelingen? Mit einer kräftigen Finanzspritze aus der Staatskasse sollen private Investoren dazu ermuntert werden, den Atomsektor wiederzubeleben. 1.7 Mia. Britische Pfund will die Regierung insgesamt bereitstellen als Anschubfinanzierung. 210 Millionen Pfund davon sollen Rolls Royce beim Entwickeln von kleineren Reaktoren unterstützen. Mit 100 Millionen Pfund soll ein privates Projekt des Typs EPR in Sizewell C vorangetrieben, das nicht so recht vom Fleck kommt.
Wie realistisch ist das? Trotz der staatlichen Anschubfinanzierung wird es sehr sportlich bis unmöglich, ein AKW pro Jahr zu eröffnen. Der britische Atomsektor schrumpft seit 25 Jahren. Gegenwärtig sind acht AKW in Betrieb. Das jüngste ging 1995 ans Netz. Damals stammte rund ein Viertel des britischen Stroms aus AKWs.
Heute sind es noch 18.7 Prozent. Acht Reaktoren wurden seither stillgelegt. Private Geldgeber stammen alle aus dem Ausland – aus Frankreich (EDF) und China (Staatskonzern China General Nuclear, CGN). 2018 begannen EDF und CGN mit dem Bau zweier EPR-Reaktoren im Westen Englands. «Hinkley Point C» sollte eigentlich 2023. Doch der Bau verzögert sich um Jahre und die Kosten laufen aus dem Ruder.
Wie passt die Förderung des Atomsektors zur Energiepolitik der letzten Jahre? Es ist ein Strategiewechsel. Seit 1995 geht der Atomstrom-Anteil in Grossbritannien stetig zurück – von damals 12.7 Gigawatt Leistung auf heute rund 7 Gigawatt. Und es ist schwer zu sagen, ob es gelingt, private Geldgeber dazu zu bewegen, wieder Milliarden in den Atomsektor zu investieren. 2019 waren zwei weit fortgeschrittene Projekte auf Eis gelegt und seither ganz gestoppt worden, weil die privaten Geldgeber absprangen. Es handelte sich um die Projekte Oldbury B und Wylfa Newydd des japanischen Konzerns Hitachi.
Warum braucht es eine neue Energiestrategie? Grossbritannien will weg von fossilen Brennstoffen, um seine Klimaziele zu erreichen und setzt deshalb verstärkt auf klimafreundliche Energiequellen – auf Atom-, Wind- und Solarstrom. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine erhöht den Handlungsbedarf, da die Regierung den Öl- und Gasimport aus Russland bis Ende 2022 einstellen will.
Wie viele neue Windturbinen sind vorgesehen? Und wo? Der Bau von Windturbinen auf dem Festland ist besonders in England umstritten. Sogar Parteikollegen von Boris Johnson sind offen dagegen. Der Premier will deshalb den Bau vor der Küste forcieren. Bis 2030 soll die Windstromproduktion auf 50 Gigawatt erhöht werden. Das sind viermal so viel wie heute. Der Solarstrom soll sogar verfünffacht werden – auf 70 Gigawatt. Wie beim Atomsektor sieht die Regierung auch bei Wind- und Sonnenenergie lediglich finanzielle Anreize vor. Die Investitionen sollen Private tätigen.
Wird der Umstieg auf Atom- und Windstrom breit getragen in der Bevölkerung? Jein. Die Opposition trägt den Umstieg zwar mit. Sie verlangt aber mehr Finanzhilfe für die Bevölkerung, deren Gas- und Stromrechnungen sich in den letzten Wochen massiv verteuert haben – durch die weltweite Energiekrise.