SRF News: Christoph von Marschall, enthüllt das Buch wirklich soviel Neues?
Christoph von Marschall: Nach meinem Eindruck sind die Dinge, die jetzt in den Schlagzeilen stehen, gar nicht so neu. Wir wussten, dass alle möglichen Leute in Trumps Umgebung ihn immer wieder beschimpfen. Sein Aussenminister hat ihn zum Beispiel einen «Dummkopf» genannt. Man weiss, dass Trump sich nicht gerne mit Sachproblemen beschäftigt, nicht gerne liest oder nicht mit Melania im gleichen Bett schläft. Das ist alles schöne Schmäh, aber nicht wirklich neu.
Gibt es dennoch etwas, das Sie überrascht hat?
Der Wert des Buches besteht darin, dass es sehr gut schildert, wie verschiedene Fraktionen im Weissen Haus um Trumps Einfluss kämpfen. Und wie sich dadurch ein ganzer Selbstzerstörungsmechanismus innerhalb des Weissen Hauses abspielt. Das hat der Autor Michael Wolff sehr gut beschrieben.
Daraus kann man auch lernen, wie das alles funktioniert: Gerade die analytischen Teile, in denen uns Wolff daran erinnert, welche Probleme Trump hat, gutes Personal zu bekommen. Die wirklich guten politischen Leute haben sich anderen Kampagnen angeschlossen, weil niemand daran geglaubt hatte, dass Trump Präsident würde. Ja, sogar er selbst und seine Familie nicht.
Es bestehen gewisse Zweifel, dass Wolff wirklich so nah dran war, wie er behauptet.
Autor Michael Wolff gilt ja als jemand, der es selber nicht immer sehr genau nimmt mit den journalistischen Grundsätzen. Wie glaubwürdig ist er?
Es bestehen gewisse Zweifel, dass Wolff wirklich so nah dran war, wie er behauptet. Ich glaube, er schneidet ein bisschen auf. Der Präsident und seine Frau haben energisch dementiert, dass sie gesagt haben, was Wolff behauptet. Trump bestreitet auch, dass er mit Wolff überhaupt für dieses Buch gesprochen habe.
In amerikanischen TV-Shows antwortet Wolff auch tatsächlich ausweichend. Auf die Frage, ob der mit dem Präsidenten im Weissen Haus gesprochen habe, sagt er: «Ich habe insgesamt über drei Stunden im Wahlkampf und nach der Inauguration mit Trump gesprochen. Aber vielleicht war ihm gar nicht klar, dass das Interview-Situationen sind.»
Wie prägt das Buch die Stimmung in den USA?
Im Moment ist das die grosse Nachricht. Es passiert sonst auch relativ wenig. Und in den USA wie in Europa hören wir halt sehr gerne Schmäh über Trump und das Weisse Haus. Dann ist es auch nicht so wichtig, ob die Dinge wirklich neu sind oder nicht.
Könnte das Buch Trump schaden?
Das Buch selber nicht, aber die Narrative, die auch nicht neu sind. Trump schlägt immer zurück, wenn er angegriffen wird. Das ist seine Kommunikationsstrategie. Aber das wirklich Gefährliche sind die Russland-Untersuchungen. Ob da aber etwas kommt, das Trump gefährlich wird, ist Spekulation.
Seien Sie kurz Literaturkritiker: Als was wird dieses Buch in die Literaturgeschichte eingehen?
Vom Verlag wurde es ja als Skandal- und Enthüllungsbuch verkauft. Mein Eindruck ist das Gegenteil: Die Enthüllungen sind nicht so neu. Der Wert des Buches besteht darin, wie es die Machtkämpfe um Trump im Weissen Haus schildert und diesen Selbstzerstörungsmechanismus.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.