«Präsident Twitter» ist seit dem Sturm seiner Anhänger aufs Kapitol-Gebäude verstummt. Und auch um den Normalbürger Donald Trump ist es seither still geworden: Sein Twitter-Profil, aber auch seine Facebook- und Instagram-Konten sind gesperrt. Zu Recht oder nicht? Im Fall von Facebook soll dies ein unabhängiges Gremium bald entscheiden. Der Entscheid geht auch die Schweiz etwas an, wie Digitalrechts-Experte Martin Steiger erklärt.
SRF News: Wie aussergewöhnlich ist es, dass eine Firma wie Facebook eine derart wichtige Sache an ein externes Gremium delegiert?
Martin Steiger: Das ist aussergewöhnlich. Andererseits hat Facebook zusammen mit Instagram auch eine aussergewöhnliche Bedeutung gerade für Politiker wie Trump, der ja ein eigentlicher Social-Media-Politiker war. Und nun delegiert Facebook diese Entscheidung und dieses Oversight Board an unabhängige Fachpersonen und hofft, damit das Problem lösen zu können.
Eigentlich sollte Facebook das gar nicht entscheiden müssen.
Aber ist es nicht etwas einfach, wenn man eine solch heikle Aufgabe einfach an ein Gremium delegiert, statt selber zu entscheiden?
Eigentlich sollte Facebook das gar nicht entscheiden müssen. Das wäre eine Aufgabe für die Rechtsprechung der einzelnen Staaten. Die haben das aber an Facebook delegiert.
Kann eine private Firma via ein Oversight Board überhaupt eine solch schwierige Entscheidung vornehmen?
Sie kann es versuchen. Im Grundsatz hat eine Social-Media-Plattform natürlich ein Hausrecht. Gerade in den USA ist ganz klar, dass Facebook entscheiden kann, was auf der Plattform erwünscht ist und was nicht. Aufgrund der Bedeutung von Facebook ist aber natürlich nicht ganz so einfach. Da kollidiert diese Meinungsfreiheit mit der politischen Realität. Und in diesem Sandwich der Anforderungen von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft versucht Facebook nun diesen Weg zu gehen.
Es geht ja nicht nur um Trump, sondern es geht letztendlich um alle Politikerinnen und Politiker, die sich provokativ auf diesen Netzwerken äussern.
Ja. Es handelt sich auch um einen Fall, der von Facebook an das Oversight Board herangetragen wurde und nicht etwa von Trump. Das wird erhebliche Auswirkungen haben. Am Schluss gibt es eine sogenannte Policy Recommendation. Es geht also nicht allein um einen einzelnen Nutzer, um einzelne Beiträge, sondern um die Zukunft von Spitzenpolitikern bei Facebook und Instagram.
Diese Netzwerke sind international, aber die Rechtssysteme sind meistens noch national. Betrifft der Entscheid die Schweiz überhaupt?
Eine solche Entscheidung gilt überall dort, wo Facebook genutzt wird. Das könnte also auch Schweizer Politikerinnen und Politiker direkt betreffen, wenn sie etwa Angst und Schrecken verbreiten, sich rassistisch äussern oder gesundheitliche Fehlinformationen posten.
Facebook hat lange gesagt, es sei nicht für die Inhalte auf der Plattform zuständig. Warum mischt sich das Unternehmen jetzt trotzdem ein?
Facebook würde das noch so gerne der Politik und dem Rechtssystem überlassen. Aber spätestens seit Trump und dem Sturm auf das Kapitol kann Facebook dieser Frage nicht mehr ausweichen. Ansonsten riskiert es weitgehende Folgen. Man spricht darüber, mit dem Wettbewerbsrecht an Facebook heranzugehen.
Was denken Sie, was wird das Oversight Board zum Trump Ban sagen?
Das ist sehr schwierig zu sagen. Eigentlich hätte es bereits entscheiden müssen. Es hat aber soeben die Frist von 90 Tagen verlängert. Man sieht, die Frage ist auch für dieses Oversight Board sehr anspruchsvoll.
Das Gespräch führte Beat Soltermann.