«Präsident Twitter» ist verstummt. Und auch um Normalbürger Donald J. Trump ist es still geworden. «Account suspended» – gesperrt, steht derzeit auch auf den Instagram- und Facebook-Konten des ehemaligen US-Präsidenten.
Nach dem Sturm auf das Kapitol hatten die führenden Social-Media-Betreiber den Bannhammer auf den damals mächtigsten Mann der Welt niedersausen lassen. Überfällig, fanden die einen. Kritiker sehen darin aber auch einen heiklen Präzedenzfall.
Social-Media-Riese auf dünnem Eis
Klar ist: Facebook betritt mit der Suspendierung Neuland. «Bislang stellte sich der Konzern auf den Standpunkt, dass Beiträge führender Politiker und Politikerinnen von öffentlichem Interesse sind und nicht gelöscht werden dürften», erklärt SRF-Digitalredaktor Jürg Tschirren.
Der «Trump-Ban» wirft brisante Fragen auf: Darf Big Tech in die öffentliche Debatte eingreifen? Können private Grosskonzerne nach eigenem Ermessen darüber befinden, was gesagt werden darf – und was nicht?
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, nicht eben als Trump-Versteherin bekannt, liess über ihren Sprecher ausrichten: Die Betreiber müssten verhindern, dass politische Kommunikation mit Hass und Aufrufen zu Gewalt vergiftet würden. Die Meinungsfreiheit sei aber als Grundrecht von elementarer Bedeutung und könne nur durch den Gesetzgeber, nicht aber durch Unternehmen eingeschränkt werden.
Statt dem Gesetzgeber klärt nun ein internes Aufsichtsgremium des Facebook-Konzerns, ob die Trump-Sperre wieder aufgehoben werden soll. Das «Oversight Board» befasst sich mit den umstrittensten Fällen – zu denen die Akte Trump zweifelsohne gehört.
Die unabhängigen Experten nahmen erst letzten Oktober offiziell ihre Arbeit auf. Nun haben sie 90 Tage Zeit für ihren Entscheid im «Fall Trump». Sein Comeback auf Facebook und Instagram liegt damit in den Händen von 20 Experten aus aller Welt. Der Konzern will sich an den Entscheid halten.
Facebook erwartet auch Antworten auf die Frage, wie künftig mit den Mächtigen dieser Welt auf seinen Plattformen verfahren werden soll. «Einen eigentlichen Präzedenzfall kann es nur in dieser Frage geben», so SRF-Experte Tschirren. In welchem Ausmass Facebook die Empfehlungen umsetzen werde, sei aber überhaupt nicht klar.
Debatte wird weiter beschäftigen
Für Facebook sei das Aufsichtsgremium aber auch eines: ein praktisches Mittel, um die heisse Kartoffel delegieren zu können. Mit dem Entscheid durch ein «unabhängiges Gremium» könne sich der Social-Media-Riese selber aus der Schusslinie nehmen, so Tschirren. Zumindest fürs Erste.
Denn nach dem Sturm auf das Kapitol wird sich auch die US-Politik noch eingehender mit der Frage beschäftigen, wie und ob die Unternehmen Inhalte auf ihren Netzwerken kontrollieren sollen. Klar ist für Tschirren: «Den Social-Media-Giganten weht ein rauerer Wind entgegen.»