Bis vor kurzem führten die Don Bosco-Brüder in Eritrea eine technische Berufsschule. Doch damit ist Schluss: Die Schule wurde verstaatlicht.
Die katholischen Ordensbrüder müssen das Projekt mit rund 400 Schülerinnen und Schülern und zwei Dutzend Gebäuden verlassen. Die Aufforderung der eritreischen Behörden kam ohne weitere Begründung.
Weiteres Engagement der Schweiz offen
«Die Berufsschule in Dekemhare wurde Anfang September vom eritreischen Bildungsministerium übernommen», sagt Esther Keimer. Sie leitet die Programme am Horn von Afrika der Schweizer Direktion für Entwicklungszusammenarbeit Deza.
«Don Bosco, unser Partner von Ort, wird künftig im Schulbetrieb keine Rolle mehr spielen», bestätigt Keimer die Recherchen von SRF News.
Die Schweiz hat die Schule und ein weiteres Projekt von Don Bosco mit 1.3 Millionen Franken unterstützt. Mit dem Geld wurden Jugendliche ausgebildet – Maurer und Schreinerinnen, Elektriker und Mechanikerinnen. Ob und wie das Schweizer Engagement weitergeht, ist unklar.
Beteiligte Organisationen schweigen sich aus
Die Verstaatlichung überrascht Dr. Berhane Asmelash nicht. Das sei typisch Eritrea: «Es gibt keine offizielle Kommunikation, nur ein Ultimatum. Und wer rückfragt, wird verhaftet – weil er gefragt hat.» Asmelash ist Exil-Eritreer und arbeitet für die Organisation «Release Eritrea», welche die Gängelung von Christen in Eritrea dokumentiert.
Eritreas Staat schüchtert Leute ein, die Angst regiert.
Die Don-Bosco-Bruderschaft hüllt sich in Schweigen. Ihre Organisation VIS in Rom, Projektpartnerin der Deza, gibt weder zu Ereignissen noch Organisation der Schule einen Kommentar ab. Auch die Tessiner Stiftung «Opera Don Bosco», welche in der Schule unlängst eine Backstube gebaut hat, gibt aus Sicherheitsgründen keine Auskunft. «Logisch», erklärt Asmelash: «Eritreas Staat schüchtert Leute ein, die Angst regiert.»
Eritrea unterstreicht Religionsfreiheit
In den letzten Jahren sind in Eritrea viele religiöse Schulen und Gesundheitszentren verstaatlicht worden. Eritreas Informationsminister Yemane Gebremeskel schreibt gegenüber SRF: «Die Religionsfreiheit ist sakrosankt im säkularen Eritrea.» Doch religiöse Institutionen könnten Studierende aufgrund ihres Glaubens diskriminieren.
Darum habe Eritrea schon vor Jahren ins Gesetz geschrieben, dass religiöse Institutionen keine Schulen oder Spitäler führen dürften, so Gebremeskel.
Die christlichen Organisationen in Eritrea waren verlässliche Partner für Entwicklungsorganisationen. In den letzten Jahren haben sich diverse internationale Organisationen aus dem Land zurückgezogen. Auch das Schweizer Staatssekretariat für Migration SEM unterstützt keine Projekte mehr. «Es gibt praktisch keine Implementierungspartner mehr vor Ort», schreibt das SEM.
Rückübernahme von Eritreern als Ziel
Die Verstaatlichung der Berufsschule ist ein herber Rückschlag für die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit in Eritrea. Vor sieben Jahren beschloss nämlich eine bürgerliche Mehrheit des Parlaments: Die Schweiz solle Entwicklungshilfe leisten und so Eritreas Regime überzeugen, dass es abgewiesene Asylsuchende zurücknimmt.
Die Zusammenarbeit mit einem autoritären Regime, das Menschenrechte verletzt, ist problematisch.
Das sei von Beginn weg der falsche Ansatz gewesen, so die Schweizerische Flüchtlingshilfe. «Es gibt keine Hinweise darauf, dass sich die Lebensbedingungen in den letzten Jahren verbessert haben», erklärt Mediensprecher Lionel Walter. «Die Zusammenarbeit mit einem autoritären Regime, das Menschenrechte verletzt, ist problematisch.»
Schweizer Unterstützung mit Problemen
Die meisten Projekte in Eritrea mit Schweizer Unterstützung hatten Probleme: Ein norwegisches Berufsbildungsprojekt ist vor drei Jahren ausgelaufen, die Organisation NRC führt keine Projekte mehr durch in Eritrea. Ein UNO-Programm für Berufsbildung kam nie richtig vom Fleck.
Ist die «Mission Eritrea» also gescheitert? Nein, sagt Deza-Frau Keimer: «Die Projekte haben uns die Tür für Besuche in Eritrea geöffnet.» Der Bund bleibe mit eritreischen Institutionen und Behörden im Kontakt, «auch wenn die Anzahl der umgesetzten Projekte kleiner ist als ursprünglich vorgesehen.»
Das Projekt des Honorarkonsuls läuft
Das einzige Projekt mit Bundesgeldern, das noch läuft, ist jenes des Schweizerischen Unterstützungskomitees für Eritrea (Suke). Dessen Präsident Toni Locher ist eritreischer Honorarkonsul in der Schweiz und steht regelmässig in der Kritik wegen seiner Nähe zum Regime in Asmara.
Im Gegensatz zur EU oder den USA besitzt die Schweiz in Eritrea einen guten Ruf.
Suke bildet in Eritrea erfolgreich Berufsleute aus – in Zusammenarbeit mit einer eritreischen Gewerkschaft. Berufsbildung verhindere Migration, erklärt Locher. Die Schweiz solle in Eritrea bleiben: «Im Gegensatz zur EU oder den USA besitzt die Schweiz in Eritrea einen guten Ruf.» Doch der Bund müsse umdenken und auch bereit sein, staatliche Projekte zu unterstützen.
Die Politik ist gefragt
Ob die Schweizer Hilfe in Eritrea trotz aller Schwierigkeiten fortgesetzt werden soll, das ist schlussendlich eine politische Frage. FDP-Vizepräsident und Asylpolitiker Andri Silberschmidt räumt ein: «Wir sind sicher noch weit davon entfernt, dass wir mit Eritrea über Rückführungen sprechen können.» Trotzdem solle die Schweiz weitermachen, so Silberschmidt: «Mit Projekten, die nicht das Unrechtsregime stärken, sondern der Bevölkerung helfen.»
Soll die Schweiz ihr Engagement in Eritrea beenden, oder hilft man unter den Bedingungen des Regimes weiter? Gut möglich, dass sich bald Aussenminister Ignazio Cassis dieser Frage stellen muss.