Das Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik GCSP nennt seinen Vorschlag «ein Schweizer Armeetaschenmesser für einen Waffenstillstand». Was bereits sagt: Im Vordergrund steht die praktische Anwendbarkeit.
Das Konzept steht im Zusammenhang mit den sogenannten «Geheimgesprächen» oder korrekter «Track-II-Gesprächen», also Diskussionen unterhalb der offiziellen staatlichen Ebene, sagt Walter Kemp vom GCSP. «Unser Konzept wurde erarbeitet mit führenden Expertinnen und Experten für Waffenstillstände.»
Pufferzonen
Es galt nicht zuletzt, Lehren zu ziehen aus den gescheiterten Minsk-Abkommen von 2014 und 2015. «Damals», so Walter Kemp, «fehlte eine von der Ukraine und Russland akzeptierte Waffenstillstandslinie auf der Karte.» Wo die Waffenstillstandslinie durchführt, sei von den Streitparteien zu definieren. Am Ende müsse das indes für alle klar sein.
Ebenfalls versäumt wurde bei den Minsker Abkommen, Pufferzonen festzulegen. «Erfolgreiche Waffenstillstände beinhalteten stets fünf oder zehn Kilometer breite Puffer», so Kemp. «Dort werden Soldaten und Kriegsgerät abgezogen. Darüber hinaus braucht es noch breitere Zonen, von fünfzig oder hundert Kilometern, die frei sind von weitreichenderen Waffen, von Artillerie, Drohnen oder Raketen.»
Strafmassnahmen und Überwachungsmission
Zu definieren seien zudem Strafmassnahmen gegen jene, welche die Vorgaben verletzten. Weil die beiden Widersacher Russland und Ukraine einander nicht trauten, brauche es zwingend eine umfangreiche, mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattete Überwachungs- und Verifizierungsmission.
Gebildet würde diese aus Zivilpersonen, Polizistinnen und Soldaten. Beim GCSP geht man von «sicher 7000 bis 10'000 aus, angesichts der langen Frontlinie von mehr als tausend Kilometern». Geschieht das mit einem UNO-Mandat, für welches die russische Zustimmung zwingend ist, kämen für diese Mission Nato-Truppen kaum infrage. Nötig wären welche aus neutralen Ländern, auch aus der Schweiz.
Die Überwachungsmission ist nicht zu verwechseln mit der derzeit viel diskutierten, gut bewaffneten Schutztruppe als Sicherheitsgarantie für die Ukraine. Eine solche wäre unverzichtbar, um die Ukraine überhaupt für einen Waffenstillstand zu gewinnen. Russland wiederum werde einzig mitmachen, wenn mit einem Waffenstillstand umfassende Diskussionen über die künftige strategische Stabilität in Europa verbunden wären.
Dem GSCP-Experten Kemp zufolge geht all das nicht ohne massiven Druck durch externe Mächte. «US-Präsident Donald Trump wäre imstande, Druck auf beide Seiten auszuüben, wenn er das will», ist Kemp überzeugt. Ebenso weitere Mächte, allen voran China, aber auch Brasilien und andere Länder des globalen Südens.
Sollten sich die ukrainische und die russische Regierung tatsächlich an den Verhandlungstisch setzen, das Schweizer Taschenmesser, beziehungsweise der Schweizer Handwerkskasten, steht bereit.