Es kommt gerade viel zusammen. Das Hochwasser in Bayern, die Bluttat in Baden-Württemberg, der alles überlagernde Ukraine-Krieg. Das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland ist nachhaltig erschüttert. Bundeskanzler Olaf Scholz redet am Donnerstag in seiner Regierungserklärung im Bundestag gegen diese Verunsicherung an.
Es sind markige Worte zu eigentlich Selbstverständlichem, dass «jede und jeder in unserem Land ohne Furcht vor seinen Mitmenschen leben können muss». Dass der Feind eines offenen Staates der Extremismus sei, egal ob dieser von ganz rechts oder von ganz links, oder wie in Mannheim, mutmasslich islamistisch motiviert sei. Und dass Straftäter wie der Messerstecher von Mannheim «abgeschoben gehören, auch wenn sie aus Syrien oder Afghanistan stammen».
Neue alte Debatte um Abschiebungen
Damit zeigt sich: Auch der Kanzler zieht die Konsequenzen aus dem Messerangriff eines jungen Afghanen in Mannheim letzte Woche, bei dem ein Polizist erstochen worden war. Ausländer, die in Deutschland schwere Straftaten begehen, hätten ihr Schutzrecht verwirkt. Mit dieser Haltung spricht der Kanzler den Innenministern der Länder aus dem Herz, die seit langem eine Neubewertung der Sicherheitslage in Afghanistan und auch Syrien fordern.
Gleichzeitig droht neuer Streit in der Koalition, die Grünen sind äusserst skeptisch. Tatsächlich klaffen der politische Wunsch und die Realität weit auseinander: Seit der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban 2021 wird niemand mehr nach Afghanistan zurückgeschickt. Ein Beschluss des damaligen CSU-Bundesinnenministers Horst Seehofer. Müssen Abgeschobene in ihrer Heimat um Leib und Leben fürchten, dürfen sie nicht abgeschoben werden, das verstiesse gegen das Grundgesetz und die Genfer Flüchtlingskonvention.
Wenig Konkretes
Wie genau das Bundesinnenministerium nun «rechtlich und praktisch tragfähige Wege» finden soll, um Abschiebungen nach Afghanistan wieder zu ermöglichen, lässt der Kanzler allerdings offen. Oppositionsführer Friedrich Merz von der CDU/CSU ermahnt Scholz prompt, dass «die Zeit des Warnens und des Verurteilens, des Abwiegelns und der Ankündigungen vorbei» sei und die Menschen Entscheidungen wollten.
Aber das ist einfacher gesagt als getan. Wie vertrackt es ist, zeigt der aktuelle Fall des Mannheimer Angreifers. 2014 wurde dessen Asylantrag abgelehnt. Weil er damals noch minderjährig war, konnte er aber nicht abgeschoben werden. Inzwischen hat er eine Deutsche geheiratet und ist Vater deutscher Kinder geworden und hat ein vorläufiges Bleiberecht.
Der Kanzler spricht von Abschiebungen und weckt Erwartungen. Wieder einmal. Doch eine Debatte löst noch keine Probleme. Schon gar nicht, wenn sie im Kontext eines Wahlkampfs geführt wird.