Etwas ist anders hier. Das wird beim Hören der 9-Uhr-Nachrichten des nigerianischen «Women Radio» rasch klar. Ein Beitrag geht der Frage nach, wie sich die wirtschaftliche Krise des Landes auf Schwangere auswirkt. Später geht es um die Entführung von Mädchen, um Jobchancen für junge Frauen und um den jüngsten Erfolg der nigerianischen Turnerinnen.
Das zeigt: Die Frauen stehen bei Women Radio fast immer im Zentrum – in den Nachrichten genauso wie in den Unterhaltungs- und Ratgebersendungen. In Nigeria markiert dies einen starken Kontrast zu den meisten anderen Radiostationen und Zeitungen. Diese werden meist von Männern gemacht – und für Männer.
«In den nigerianischen Medien hatten die Frauen lange keine Gelegenheit, ihre Anliegen vorzubringen», sagt Esther Alaribe, die Moderatorin der Nachrichtensendung. Genau das sei der Grund gewesen, weshalb das Frauenradio im Jahr 2015 gestartet wurde.
Frauen im Parlament: 3.9 Prozent
Das Studio des Senders liegt in einem Vorort von Lagos, der riesigen und chaotischen 20-Millionen-Metropole Nigerias. Esther Alaribe führt durch das blaue Glasgebäude: drei Studios, ein Weiterbildungsraum, eine Küche, ein halbes Dutzend Büros.
Die 25-Jährige ist auch Programmleiterin des Senders – und wohl seine wichtigste Stimme. Für Alaribi ist klar, dass es noch ein weiter Weg zur Gleichberechtigung ist in dem mit rund 220 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Land Afrikas. Gerade in der Politik spielten die Frauen weiterhin kaum eine Rolle. «Auf zehn Männer kommt da vielleicht eine Frau, und in manchen Regionen sitzt noch immer keine einzige Frau in der Regierung.»
Statistiken bestätigen diese Ungleichheit der Geschlechter in Nigeria. Auf dem Gleichstellungsindex des World Economic Forum liegt Nigeria auf einem der hintersten Ränge, gleichauf mit Saudi-Arabien. Und im nationalen Parlament Nigerias beträgt der Frauenanteil gerade einmal 3.9 Prozent, was selbst im afrikanischen Vergleich sehr wenig ist.
«Selbstbewusstsein der Zuhörerinnen stärken»
Einen wichtigen Grund für die schwierige Position der Frau sieht Alaribe in der patriarchalischen Kultur Nigerias. In manchen Gemeinschaften seien die Frauen nicht wirklich frei. «Es wird angenommen, dass eine Frau nicht glücklich ist, bis sie verheiratet ist», sagt Alaribe. «Oft werden Frauen nicht als jemand gesehen, der autonom Entscheidungen treffen kann.»
Genau diese Ungleichheit – in der Realität und in den Köpfen der Menschen – machen Alaribe und das Women Radio immer wieder zum Thema in ihren Sendungen. Man wolle die hartnäckigen Stereotype aufbrechen, sagt die Journalistin. «Und wir wollen das Selbstbewusstsein der Zuhörerinnen stärken.»
Alaribe ist überzeugt, dass punkto Gleichstellung ein Wandel stattfinde und dass ihr Radiosender zu diesem beitrage. Bis zu neun Millionen Menschen hörten ihren Radiosender inzwischen, in den letzten Jahren sei diese Zahl kontinuierlich angestiegen. Übrigens gehöre auch eine wachsende Zahl von Männern zu ihrer Hörerschaft, fügt Alaribe schmunzelnd hinzu. «Dafür gibt es verschiedene Erklärungen. Einige wollen aber tatsächlich besser verstehen, was uns Frauen umtreibt.»
Dann muss Alaribe los. Die nächste Nachrichtensendung wartet. Auf dem Smartphone tippt sie die letzten Änderungen am Text ein, wenig später springt an der Tür zum Studio das rote Licht an.