Katar – das ist die Geschichte eines ambitiösen Herrscherhauses, das dank seiner immensen Erdgasvorräte über unverschämt viel Geld verfügt. Um den Platz zu finden, der seinen Ambitionen entspricht, konnte Katar nicht auf «Hard Power» zählen. Eine grosse Armee würde der Emir nicht aufbauen können in seinem Ministaat – also setzte Katar auf «Soft Power», sagt Hussein Ibish, Experte beim Arab Gulf States Institute in Washington.
Katar begann populistische, ja demagogische Bewegungen zu unterstützen. Als Vehikel für sein Sendungsbewusstsein schuf der Emir von Katar einen Nachrichtenkanal: Al Jazeera. Dieser begeisterte in der Zeit des Arabischen Frühlings tatsächlich die arabischen Massen – mit einem Cocktail aus alten Ideen des arabischen Nationalismus und dem Islamismus, welcher dem Herrscherhaus am Herzen lag, sagt Ibish.
Besonders die Muslimbrüder wurden von Katar unterstützt, die damals vielen in der Region als Hoffnungsträger galten. Auch die palästinensische Hamas hat ihre Wurzeln in der Bewegung der Muslimbrüder. Bei der Hamas kam noch ein anderer Faktor hinzu, der im arabischen Raum populär ist: der Kampf für die «Befreiung Palästinas».
Die Muslimbrüder sind heute in einem desolaten Zustand.
Doch mit seinem Engagement auf der Seite islamistischer Bewegungen in den Umwälzungen während und nach dem Arabischen Frühling hat Katar auf die falsche Karte gesetzt. Anders seine Nachbarn und Rivalen unter den Golfmonarchien, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Diese stützten mit ihren Ölmilliarden die alte Ordnung der Monarchen und Generäle im arabischen Raum. Katar musste unten durch. «Die Muslimbrüder sind heute in einem desolaten Zustand», sagt Ibish.
Anpassung – aber nur im Narrativ
Und auch der Emir von Katar selbst kam in den Würgegriff. Die Nachbarn belegten seinen Kleinstaat ab 2017 mehr als drei Jahre lang mit einer Wirtschaftsblockade. Doch Katar hatte genügend Geld, um dem Druck standzuhalten, und einen mächtigen Verbündeten – die USA. Sie betreiben in Katar ihre wichtigste Militärbasis am Golf.
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Angepasst wurde nur das Narrativ: Katar bestreitet umso vehementer, Terroristen zu unterstützen. Es präsentiert sich der Welt seither als unverzichtbarer Vermittler, mit Beziehungen zu Gruppen, die im Westen nicht salonfähig sind, aber doch Einfluss haben – von den Taliban in Afghanistan bis eben zur Hamas.
Wenn Israel dagegen wäre, hätte Katar keine Beziehungen zur Hamas.
Als Katar Milliarden in den Gazastreifen überwiesen habe, sei es nicht darum gegangen, die Hamas aufzurüsten, sondern der palästinensischen Bevölkerung zu helfen, heisst es in Katar. Auch sei dies stets in enger Abstimmung mit der israelischen Regierung geschehen. Das sieht auch David Roberts so, Katar- und Sicherheitsexperte vom King’s College in London: «Wenn Israel dagegen wäre, hätte Katar keine Beziehungen zur Hamas». Das israelische Sicherheitsestablishment argumentierte stets, dass man bei aller Feindschaft einen Draht zur Hamas brauche.
Fast alles hat sich geändert seit dem 7. Oktober. Aber selbst jetzt funktioniert dieser Kanal via Katar – noch. Alle blicken nach Doha in der Hoffnung auf die Befreiung weiterer israelischer Geiseln. Dennoch: «Der Zahltag für Katar wird kommen», glaubt Hussein Ibish. Die Hamas ist seit ihren Terroroperationen in Israel in der westlichen Wahrnehmung vollends diskreditiert. Das werde auch der Emir von Katar noch zu spüren bekommen – und sich von der Hamas wohl distanzieren müssen.