Lange galt Katar als grösster Geldgeber und Unterstützer der palästinensischen Hamas. Das Emirat hat sich in den letzten Jahren allerdings den USA und dem Westen angenähert. In der aktuellen Eskalation im Nahen Osten bietet sich Katar als Vermittler zwischen Israel und der Hamas an.
SRF News: Katar hat einerseits Israel allein für die Eskalation der Gewalt verantwortlich gemacht, andererseits will der Golfstaat jetzt vermitteln. In welcher Rolle sieht sich denn jetzt Katar in diesem Konflikt?
Thomas Gutersohn: Katar sieht sich ganz klar als Vermittler, eben weil es einen Zugang hat zur Hamas. Dass es als Vermittler tatsächlich eine Rolle spielen kann, zeigt ja auch, dass heute US-Aussenminister Blinken zu Besuch ist. Katar versucht in seiner Position einen Mittelweg zu finden. Es macht die israelische Besatzungspolitik für die Gewalt verantwortlich und sagt, es sei eine Konsequenz dieser Besatzungspolitik. Das Land heroisiert aber gleichzeitig diese Gräueltaten nicht so, wie dies andere Länder in der Region tun.
Gäbe es denn überhaupt Alternativen, um zwischen Israel und der Hamas zu vermitteln?
Wirklich wenig, weil es in der schon lange festgefahrenen Situation zwischen der Hamas und Israel nur noch ganz wenige Staaten gibt, die überhaupt in der Lage sind, mit beiden Seiten zu sprechen. Europa und die USA stufen die Hamas als Terrororganisation ein und diskreditieren sich somit quasi als Vermittler.
Das Kandidatenfeld der Vermittler ist wirklich relativ klein.
Im Nahen Osten ist es umgekehrt. Da sind viele Länder Israel gegenüber feindlich eingestellt. Und auch jene Staaten, die sich vor wenigen Jahren unter den Abraham Accords Israel angenähert haben, fallen bei den Palästinensern in Ungnade, weil bei diesen Annäherungsversuchen nichts wirklich Nennenswertes für die Palästinenser herausgekommen ist. Das Kandidatenfeld der Vermittler ist also wirklich relativ klein.
Katar unterstützt die Hamas, seit die Organisation den Gazastreifen beherrscht, also seit etwa 15 Jahren – wie wichtig sind die Verbindungen zwischen dem Emirat und der Hamas-Führung?
Die Beziehungen sind eng und vor allem fortwährend. Ich glaube, der Ursprung oder der ursprüngliche gemeinsame Nenner ist die Muslimbrüderschaft, die in vielen arabischen Ländern ja verboten wurde.
Katar leistet im Gazastreifen Finanzhilfe, investiert hunderte Millionen in die dortige Infrastruktur. Inwiefern profitiert die Hamas von diesen Geldern aus Katar?
Katar beteuert immer wieder, dass die Hamas nicht direkt und vor allem nicht militärisch unterstützt wird. Es leiste humanitäre Hilfe, sagt Katar. Diese ist ja wirklich auch zwingend nötig. Es gibt es nicht viele Geldgeber, die Gaza überhaupt noch unterstützen.
Katar hat eine klare pro-palästinensische Haltung, es verteufelt Israel aber nicht.
Es lässt sich aber sicherlich nicht ausschliessen, dass dabei auch Gelder in die Hände der Hamas fliessen, weil die Hamas quasi den Gazastreifen unter ihrer Kontrolle hat.
Auf der anderen Seite gibt sich Katar weltoffen, organisiert Sport-Grossanlässe wie die Fussball-Weltmeisterschaft, nähert sich dem Westen an. Wie passt das mit der Unterstützung der Hamas zusammen?
Für Katar ist das nicht wirklich ein Widerspruch. Es hat eine klare pro-palästinensische Haltung, es verteufelt Israel aber nicht. Und das ist ein wichtiger Punkt. Es sieht die Hamas wie auch den Staat Israel als eine Realität an, die nicht umgangen werden kann. Das ist also insofern ein relativ pragmatischer Umgang mit beiden Parteien, und damit bietet sich Katar als Vermittler an.
Das Gespräch führte Raphaël Günther.