Russlands Präsident Wladimir Putin sieht sein Land als möglichen Vermittler im eskalierenden Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. Was Putin – verantwortlich für den Grossangriff auf die Ukraine, der zehntausende Tote und Millionen Vertriebene verursacht – damit bezwecken könnte, schätzt SRF-Russlandkorrespondent Calum MacKenzie ein.
Wie positioniert sich Putin?
Am Dienstag hatte Putin die USA kritisiert und gesagt, die Gewalt sei ein Beispiel für das Scheitern der USA im Nahen Osten, Washington habe die Interessen der Palästinenser missachtet. In einem Telefonat mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan am Mittwoch drückte er sodann seine Besorgnis über die Lage der Zivilbevölkerung in Israel und im Gazastreifen aus.
Was sagt Putin konkret zu Israel?
Bislang hat Putin keinen direkten Kontakt zur israelischen Regierung aufgenommen und gegenüber Premier Benjamin Netanjahu auch nicht sein Bedauern wegen des Terrorangriffs der Hamas ausgedrückt. Das ist deshalb bemerkenswert, weil Putin bislang ein gutes Verhältnis zu Netanjahu und zu Israel hatte. Netanjahu hatte sich nach dem Grossangriff der Russen denn auch nicht aktiv auf die Seite der Ukraine gestellt.
Welche Interessen verfolgt Moskau?
Zunächst: Seit Beginn des Angriffs auf die Ukraine vor bald 19 Monaten hat Russland seine Beziehungen zum iranischen Regime verstärkt. Dieses ist eng verbunden mit der Hamas und zugleich verfeindet mit Israel. Nun will sich Russland als Grossmacht positionieren, die im Nahost-Konflikt vermitteln könne – und spricht damit gezielt auch jene Staaten und Menschen an, die dem Westen kritisch gegenüber stehen. Putin kommt der Konflikt im Nahen Osten deshalb nicht ungelegen: Einerseits kann er sich jetzt vor seiner Klientel als Vermittler und Friedenstaube aufspielen, andererseits bindet der Konflikt in Nahost westliche Ressourcen – und er lenkt vom Krieg in der Ukraine ab.
Was bedeutet das für die russisch-israelischen Beziehungen?
Es ist für Russland ein Risiko, Israel gerade jetzt allzu stark zu brüskieren. Zwar hat Israel den Angriff Russlands auf die Ukraine verurteilt, aber bisher keine seiner sehr modernen Waffen an die Ukraine geliefert. Deshalb dürfte Putin mit seiner impliziten Kritik an Israel jetzt nicht allzu weit gehen. Moskau dürfte die guten Beziehungen zu Israel also nicht aufgeben wollen – auch weil israelische Waffen an der Front in der Ukraine für Russlands Armee zum Problem werden könnten.
Ist eine Unterstützung der Hamas durch Moskau denkbar?
Dafür gibt es keine Anzeichen – auch wenn es möglich ist, dass die Hamas gewisse russische Waffen besitzt. Diese dürften aber eher durch iranische Unterstützung in den Gazastreifen gelangt sein. Zwar hat Moskau seit Langem Kontakte zu den Palästinensern und zur Hamas, doch Russlands Einfluss in der Region sollte man nicht überschätzen. Die Hintergründe des Konflikts im Nahen Osten sind grösstenteils völlig unabhängig von russischen Interessen.