Darum geht es: Das EU-Parlament will am Donnerstag darüber abstimmen, ob die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ausgesetzt werden sollen. Dafür zeichnet sich eine breite Mehrheit ab, da viele Fraktionen mit der Einschätzung einig sind, dass die türkische Regierung den gescheiterten Putschversuch vom Juli dazu nutzt, unliebsame Bürger zu verfolgen.
«Wir müssen ehrlich sein», sagte etwa der britische Konservative Syed Kamall. Schon viel zu lange werde Ankara eine Vollmitgliedschaft in Aussicht gestellt. «Wir wissen doch alle, dass wir das nicht erleben werden.» EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini warnte allerdings vor einem Ende des Beitrittsprozesses. Dadurch würden beide Seiten verlieren. Die EU würde insbesondere auf die Möglichkeit verzichten, Einfluss auf den Reformprozess und auf die türkische Gesellschaft zu nehmen.
Die Reaktion aus Ankara: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan nimmt die geplante Abstimmung betont gelassen. «Egal, wie das Resultat ausfällt, diese Abstimmung hat für uns keinen Wert», sagte er in Ankara. Und er griff die EU frontal an: «Alleine, dass das Europaparlament sich an so eine Abstimmung macht, ist Ausdruck dafür, dass es Terrororganisationen in Schutz nimmt und sich an deren Seite stellt.»
Obwohl die kurdische Arbeiterpartei PKK in Europa als Terrororganisation eingestuft ist, kritisierte Erdogan erneut, die PKK könne in der EU ungehindert agieren. Viele europäische Länder würden Terroristen helfen. Gleichzeitig wies er Kritik an den Massenfestnahmen und Entlassungen in der Türkei zurück.
Wo Erdogan recht hat: Tatsächlich hat das Votum des EU-Parlamentes keinen bindenden Charakter. Die seit 2005 laufenden EU-Beitrittsverhandlungen führt nämlich die EU-Kommission. Theoretisch müsste die Brüsseler Behörde bei einem «schwerwiegenden und anhaltenden Verstoss» der Türkei gegen die europäischen Grundwerte aber zumindest einen vorübergehenden Stopp empfehlen. Die Entscheidung liegt am Ende aber bei den Mitgliedstaaten.