Die Ausgangslage war eindeutig. Wochenlang bereiteten Diplomatinnen den EU-Gipfel vor. Denn er musste ein Erfolg werden: Die Europäische Union muss Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldau beschliessen können.
Und die EU muss Finanzhilfen in der Höhe von 50 Milliarden Euro zugunsten der kriegsführenden Ukraine beschliessen, damit die ukrainische Verwaltung weiter funktionieren kann, trotz Krieg.
26 europäische Hauptstädte waren sich einig: Dieses Zeichen der Solidarität gilt es zu setzen. Nur der ungarische Premierminister Viktor Orban stellte sich quer. Zunächst war nicht zu erkennen, welchen Ausweg die 26 Staats- und Regierungschefs aus dieser verfahrenen Situation finden könnten.
Scholz wies den Weg
Schliesslich war es ein diplomatischer Trick, der das Veto umschiffen half. Offenbar war es Bundeskanzler Olaf Scholz, der den Weg zu einer Lösung wies. Er führte Orban vor die Tür.
Damit war man sich im Saal einig. Orban stimmte nicht zu, stimmte aber auch nicht dagegen. Er war willentlich nicht anwesend. Die Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine können damit beginnen.
Das ist mehr als Symbolik. Es ist ein Zeichen der Unterstützung der EU an die Ukraine. Der Reformprozess wird weiter vorangetrieben. Denn das Land hat trotz Krieg Reformen beschlossen, demokratisch im Parlament verabschiedet, auf solidem rechtsstaatlichem Fundament.
Darum drängte die EU darauf, diesen Prozess ohne Unterbruch weiterführen zu können. Im Beitrittsprozess sind das die vorgesehenen nachfolgenden Schritte.
Damit schreitet die Ukraine den Weg weiter in Richtung EU.
Keine Konzessionen gegenüber Orban
Gerne hätte die EU die Finanzhilfen gleichzeitig beschlossen. Sie hätte das wiederum ohne die Einwilligung von Orban entscheiden können, nämlich mit einer Lösung ausserhalb des EU-Budgets. Das hätte aber dem Wunsch von Orban entsprochen. Möglicherweise darum wurde der Beschluss vertagt: weil die 26 Staats- und Regierungschefinnen keine Konzessionen gegenüber Orban machen wollten.
Die Ukraine kommt deswegen noch nicht in eine finanzielle Notlage. Wohl Ende Januar wird die EU die Finanzhilfen dennoch beschliessen.
Die EU sucht gelegentlich tatsächlich sehr verschlungene Wege, Lösungen zu finden in politisch festgefahrenen Situationen. Letztlich demonstriert die Europäische Union damit aber auch, dass sie handlungsfähig bleibt, dass sie komplizierte Entscheidungen fällen kann.
Das ist alles andere als perfekt. Aber es ist eine Politik, welche die gemeinschaftlichen Interessen verteidigt gegenüber nationalen – in diesem Fall ungarischen – Eigeninteressen.