Wieso kam die Entscheidung der EU so überraschend? Mit einer so schnellen Einigung am EU-Gipfel hat niemand gerechnet, da Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán noch am Donnerstagmittag seinen Widerstand gegen EU-Beitrittsgespräche mit der Ukraine bekräftigt hatte.
Wie konnte sich die EU schliesslich einigen? Die Entscheidung kam nach stundenlangen Verhandlungen durch eine ungewöhnliche Wende zustande: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán war nicht im Raum, als die EU-Staats- und Regierungschefs den Konsens herstellten. Entsprechend erhob niemand Einspruch, als EU-Ratspräsident Charles Michel das Thema aufrief. Es sei vorab mit Orbán besprochen gewesen, dass er den Raum für die Zeit verlasse, hiess es aus EU-Kreisen. «Aus 26 gegen einen wurde ein Entscheid von 26 ohne einen. Mit diesem Griff in die diplomatische Trickkiste können alle ihr Gesicht wahren», ordnet EU-Korrespondent Charles Liebherr ein.
Wie reagierte Orbán nach dem Entscheid? Unmittelbar nach der Bekanntgabe des Beginns von Beitrittsverhandlungen verkündete der ungarische Ministerpräsident in einer Videobotschaft, dass er diesen Entscheid für falsch halte. Man habe sich acht Stunden aneinander abgearbeitet. Ungarn wolle diese falsche Entscheidung nicht mittragen und habe sich deshalb enthalten, so Orbán im Video. Ungarn werde seinen Standpunkt nicht ändern.
Das ist ein Sieg, der motiviert, inspiriert und stärkt.
Wie reagiert die Ukraine? Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski zeigte sich hocherfreut über die Entscheidung für Beitrittsgespräche. Er bezeichnete den Beschluss als Sieg für die Ukraine und ganz Europa. «Ein Sieg, der motiviert, inspiriert und stärkt», schrieb der Staatschef bei der Plattform X. Er dankte allen an dem Beschluss Beteiligten.
Was sagte EU-Ratspräsident Charles Michel? Michel hat die Entscheidung zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldau als «historischen Moment» bezeichnet. «Er zeigt die Glaubwürdigkeit der westlichen Union, die Stärke der westlichen Union», sagte Michel nach dem Beschluss. Michel zeigte sich zuversichtlich, dass der Gipfel «in den nächsten Stunden» auch zu einer Einigung bei den milliardenschweren Finanzhilfen für die Ukraine kommen könne. «Wir wollen die Ukraine mit kleinen finanziellen Hilfen unterstützen. Aber wir wollen auch die Prioritäten der Europäischen Union berücksichtigen und unseren mehrjährigen Rahmen anpassen», sagte Michel. Gemeint ist der mehrjährige Finanzrahmen, der bis 2027 reicht.
Wie geht es nun weiter? «Nun können jahrelange Verhandlungen beginnen. Der Weg der Ukraine in die EU ist noch lang und beschwerlich», bilanziert EU-Korrespondent Charles Liebherr. In einem nächsten Schritt müssen sich die EU-Staaten auf die langfristigen Finanzhilfen für die Ukraine einigen. 50 Milliarden Euro sollen neu ins EU-Budget aufgenommen werden, davon sollen rund 17 Milliarden Euro Zuschüsse und der Rest Kredite sein. Auch in diesem Fall ist Einstimmigkeit unter den 27 EU-Staaten erforderlich.