Für Bosnien-Herzegowina liegt die Zukunft in der EU. Ob dies die Staats- und Regierungschefs am EU-Gipfel auch so sehen und grünes Licht für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit dem Westbalkanstaat geben, ist noch offen. Allerdings: Dieses Versprechen haben die Menschen in Bosnien Herzegowina schon so oft gehört, dass sie langsam nicht mehr daran glauben wollen.
Viele Enttäuschungen
Vor mehr als zwanzig Jahren wurde den Westbalkanstaaten eine Zukunft in der Europäischen Union versprochen. Doch bislang hat nur Kroatien den EU-Beitritt vollzogen. Die restlichen Länder befinden sich stattdessen in einem nie zu enden scheinenden Beitrittsprozess.
Mazedonien hat für die EU-Mitgliedschaft sogar den Namen geändert. Das Land heisst nun Nordmazedonien, doch genützt hat es nicht viel. Zwar hat Griechenland danach seinen Widerstand gegen den Beitrittsprozess Nordmazedoniens aufgegeben. Doch weil andere Länder danach ihr Veto einlegten, ist Nordmazedonien trotzdem kaum weiter gekommen auf dem Weg in die EU.
EU verliert ihre Glaubwürdigkeit
Es sind solche Beispiele, die auch in Bosnien Herzegowina dafür sorgen, dass viele Menschen den Glauben an eine Zukunft in der EU schon jetzt verloren haben. Für den Stillstand der letzten Jahre ist zwar nicht nur die EU verantwortlich. Auch Bosnien hat wichtige Reformen verschleppt. Und doch hat sich ein Gefühl breitgemacht, dass die EU sowieso nicht bereit ist, das Land aufzunehmen – ganz unabhängig davon, wie sehr es sich auch bemüht.
Das hat Auswirkungen auf die Politik in Bosnien. Nationalistische und antiwestliche Positionen wurden durch den jahrelangen Stillstand gestärkt. Der Präsident des mehrheitlich serbisch geprägten Landesteils «Republika Srpska» droht offen mit der Abspaltung vom bosnischen Gesamtstaat. Auch betont er offen seine Nähe zu Russland.
Dabei ist die neue Dynamik in der EU-Erweiterung vor allem dem russischen Einmarsch in die Ukraine und der Absicht der EU geschuldet, Staaten wie Bosnien Herzegowina langfristig an sich zu binden.
EU muss ehrlich sein
Will die EU den Menschen eine echte Alternative bieten, muss sie ehrlich zu sich selbst sein und klar kommunizieren, was für die Westbalkanstaaten wie Bosnien Herzegowina in naher Zukunft realistisch ist und was nicht. Für den Fall, dass die EU in absehbarer Zukunft nicht bereit ist, neue Mitglieder aufzunehmen, muss sie Alternativen aufzeigen. Denkbar wäre etwa die Teilhabe am gemeinsamen Wirtschaftsraum statt einer Vollmitgliedschaft.
Die Ankündigung, Beitrittsverhandlungen mit Bosnien Herzegowina aufzunehmen, gibt ein wenig Hoffnung zurück – mehr aber auch nicht. Damit sich diese Hoffnungen nicht gleich wieder zerschlagen, braucht es klare und verlässliche Zusagen aus Brüssel.