Der jüngste Bericht der EU-Kommission zu den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei fällt für das Land verheerend aus. Die Kommission kritisiert die Politik des islamisch-konservativen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan so deutlich wie bisher nie. Eine Reihe türkischer Gesetze stünden nicht im Einklang mit europäischen Standards.
Besorgt über Einhaltung der Menschenrechte
Besonders besorgt äusserte sich die EU über die Menschenrechtslage und die Verhaftung kurdischer Abgeordneter in der vergangenen Woche. Seit dem Putschversuch im Juli wurden mehr als 11‘000 Beamte, Soldaten, Polizisten und Richter suspendiert oder eingesperrt, ebenso zahlreiche Journalisten und zuletzt Abgeordnete der prokurdischen Partei HDP.
Gespräche (noch) nicht abbrechen
Trotz den offensichtlichen Menschenrechtsverstössen und der mangelnden Rechtsstaatlichkeit will die EU die Gespräche aber vorerst nicht einseitig abbrechen. Innerhalb der EU herrscht allerdings Uneinigkeit darüber, wie und ob die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei weitergeführt werden sollen.
Jeder will, dass der andere handelt
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan forderte die EU auf, schnell eine endgültige Entscheidung über das Beitrittsgesuch seines Landes zu treffen. «Überdenkt es, aber verschleppt diese Überprüfung nicht. Trefft eure endgültige Entscheidung», sagte Erdogan am Mittwoch in Istanbul.
Der zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn sieht allerdings die Führung des Landes in der Pflicht, selbst eine Richtungsentscheidung zu treffen. Die jüngsten Entwicklungen in der Türkei seien aus Brüsseler Sicht «zunehmend unvereinbar» mit dem offiziellen Beitrittswunsch.
Auf Türkei angewiesen
Hahn machte deutlich, dass die EU gerade vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise auf eine enge Zusammenarbeit mit der Türkei angewiesen sei. Im halben Jahr vor dem Abschluss des Flüchtlingsabkommens mit Ankara kamen noch rund 740‘000 Migranten von der Türkei über das Mittelmeer nach Griechenland. Im halben Jahr danach seien es lediglich 18‘000 gewesen.