Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union wollen am Mittwoch über Lösungswege aus der Flüchtlingskrise beraten. EU-Ratspräsident Donald Tusk gab
den Termin am Donnerstag per Kurznachrichtendienst Twitter bekannt.
Die Rufe nach einem EU-Sondergipfel waren in den vergangenen Tagen immer lauter geworden, da die EU-Staaten es bisher nicht geschafft haben, eine gemeinsame Position in der Flüchtlingskrise zu finden. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte ein Sondertreffen gefordert.
Umstritten ist vor allem die Verteilung der Flüchtlinge. Vor allem osteuropäische Staaten lehnen einen verbindlichen Verteilungsschlüssel ab, wie ihn die EU-Kommission mit Unterstützung von Deutschland und anderen Ländern anpeilt. Das Treffen der Staats- und Regierungschefs soll am Mittwoch um
18.00 Uhr beginnen.
Kroatien schlägt Alarm
Nach der Abriegelung der serbisch-ungarischen Grenze, sind laut Angaben des kroatischen Innenministers Ranko Ostojic bis am Donnerstagnachmittag rund 6'500 Flüchtlinge nach Kroatien gelangt.
Kroatien will nun die Grenzen für durchreisende Flüchtlinge schliessen. «Wir können keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen», erklärte der Innenminister. Allen Schutzsuchenden werde die Weiterfahrt zu Registrierungszentren rund um die Hauptstadt Zagreb ermöglicht. Jene Ausländer, die kein Asyl beantragen wollten, würden aber als illegale Immigranten angesehen.
Gemäss dem öffentlich-rechtlichen TV-Sender HRT werden viele der Flüchtlinge von Bussen auf der serbischen Seite der Grenze abgesetzt. Die Menschen überquerten dann die Grenze zu Fuss.
Korridor in Richtung Österreich?
Zuvor hatte der kroatische Regierungschef Zoran Milanovic erklärt, sein Land werde den Menschen auf ihrem Weg «keinen Zaun in den Weg stellen». Allerdings könne Kroatien nur Tausende, aber nicht Zehntausende Flüchtlinge bewältigen, hiess es bereits am Mittwoch.
Ungarn war bisher Haupt-Transitland auf der Flüchtlingsroute über den Balkan. Zu Wochenbeginn hatte das Land seine Grenze zu Serbien abgeriegelt. Die nun in Serbien Festsitzenden Flüchtlinge suchen nach Alternativen. Die meisten von ihnen wollen nach Westeuropa, insbesondere nach Deutschland.
Tumulte, Tränengas, Verletzte
An der ungarischen Grenze zu Serbien kam es am Mittwochnachmittag denn auch zu stundenlangen Tumulten, als aufgebrachte Flüchtlinge versuchten, trotz der Grenzschliessung auf ungarisches Gebiet zu gelangen. Die Polizei reagierte mit Tränengas und Wasserwerfern. Mehrere Dutzend eingedrungene Flüchtlinge wurden über die Grenze zurückgedrängt. Am Abend beruhigte sich die Lage, als Busse auf Initiative der serbischen Behörden die Migranten abholten und in Auffanglager brachten.
Serbien kritisiert Vorgehen Ungarns
Bei den Zusammenstössen wurden auf ungarischer Seite nach offiziellen Angaben 20 Polizisten verletzt. Auch unter den Flüchtlingen gab es nach Medienberichten Verletzte.
Serbiens Regierungschef Aleksandar Vucic hat das harte Vorgehen der ungarischen Polizei gegen die Flüchtlinge als «brutal» bezeichnet. Und auch für UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon ist dieser Polizeieinsatz «inakzeptabel».
Bereits zuvor hatte Ungarns Regierungschef Viktor Orban in der «Welt» angekündigt, sein Land werde auch an der Grenze zu Kroatien einen Zaun errichten.
Österreich bereitet sich vor
Derweil stellt sich Österreich sich auf eine Verlagerung der Flüchtlingsrouten von Ungarn in Richtung Slowenien ein. So sind Polizeikontrollen an der südlichen Grenze zu Slowenien vorgesehen. Slowenien liegt zwischen Kroatien und Österreich und gehört zur Schengen-Zone. Hingegen ist Kroatien noch kein Schengen-Land. Um das Entstehen neuer Flüchtlingsrouten aus der Türkei zu verhindern, kündigten die EU-Länder Griechenland und Bulgarien an, Grenzzäune zu verstärken.
Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann hat am Donnerstag seinen kroatischen Amtskollegen Milanovic in Zagreb für eine Besprechung der Lage getroffen. Faymann wird zudem in der slowenische Hauptstadt Ljubljana erwartet, um auch mit der Regierung Sloweniens über die Flüchtlingsfrage zu beraten.
Immer mehr illegale Grenzübertritte in Deutschland
In Deutschland nahm die Zahl der an der Grenze zu Österreich ankommenden Flüchtlinge wieder zu. Am Mittwoch stoppte die Bundespolizei laut offiziellen Angaben rund 4600 Asylsuchende beim Grenzübertritt.
Die Zahl der illegal nach Deutschland
eingereisten Flüchtlinge hat sich am Mittwoch gegenüber dem Vortag denn auch verdoppelt. Nach Angaben der Bundespolizei in Potsdam
wurden über 7000 «unerlaubte Grenzübertritte» registriert.