Nach der Abriegelung der serbisch-ungarischen Grenze zeichnet sich eine neue Flüchtlingsroute über den Balkan ab. Sie führt über Kroatien.
Heute Mittwoch griff die kroatische Polizei die ersten rund 150 Menschen an der Ostgrenze des EU-Landes auf. Sie sollen aus Syrien, Iran und Afghanistan stammen und mit dem Bus und mit Taxen in die serbische Grenzstadt Sid gereist sein.
Von da aus sollen sie versucht haben, zu Fuss über die Grenze nach Kroatien zu gelangen. Im Verlauf des Tages wurden Hunderte weitere Flüchtlinge erwartet, die auf ihrem Weg nach Zentraleuropa zunächst Kroatien ansteuern. Gemäss dem deutschen TV-Sender RTL haben bereits 500 Personen die entsprechende Grenze passiert.
Kroatischer Ministerpräsident gibt grünes Licht
Der Transit ist von offiziellen Stellen gebilligt. Der kroatische Regierungschef Zoran Milanovic erklärte: «Sie können durchreisen, und wir bereiten uns auf diese Möglichkeit vor.» Der Sozialdemokrat erörterte seinen Entschluss im Parlament wie folgt: «Wir werden vor allem die Interessen und die Sicherheit Kroatiens im Sinn haben». Aber:
Wir werden nicht unsere menschliche, christliche Seite vergessen.
Welche Hautfarbe oder Religion die Ankömmlinge hätten, sei nicht wichtig. «Diese Leute sind da, es sind Frauen, Kinder und Männer, die leben und etwas erreichen wollen.»
Serbien wirkt mit an der Etablierung einer neuen Flüchtlingsroute. Die Behörden verfrachteten Dutzende Menschen an die serbisch-kroatische Grenzen.
- Kroatien richtet sich darauf ein, ein Transitland zu sein Kroatien richtet sich darauf ein, ein Transitland zu sein
- Merkel und Faymann wollen EU-Flüchtlingsgipfel Merkel und Faymann wollen EU-Flüchtlingsgipfel
- Gnesa: «Die Schweiz braucht keine Grenzkontrollen» Gnesa: «Die Schweiz braucht keine Grenzkontrollen»
Die neue Route birgt für die Flüchtlinge, die sie wählen, grosse Risiken. Im Grenzgebiet Serbien-Kroatien sollen noch zahlreiche scharfe Minen aus der Zeit des jugoslawischen Bürgerkiegs liegen. Kroatien hat deswegen Minenräumer in die Region beordert.
In Ungarn ebbt Flüchtlingsstrom ab
Wegen des Andrangs Tausender Flüchtlinge hatte Ungarn das Land mit einem Zaun umfriedet und am Dienstag seine Grenze komplett geschlossen. Seither kommen dort kaum noch Flüchtlinge an. Am Dienstag zählte die ungarische Polizei nur noch 366 illegal eingewanderte Menschen, wie sie mitteilte. Am Montag hatte sie noch 9300 Personen registriert.
Gegen die, die nach wie vor kommen, geht die ungarische Polizei indes unzimperlich vor. Am Mittwochnachmittag brachte sie sich mit Wasserwerfern in Stellung, an dem Flüchtlinge gegen die Grenzsschliessung protestierten.
Überwachung in Griechenland, Kontrollen in Deutschland und Österreich
Griechenland ist wie Ungarn mit einem massenhaften Zustrom von Flüchtlingen konfrontiert. Athen reagiert, indem es seine Überwachungsmassnahmen entlang des Flusses Evros an der Landesgrenze im Nordwesten intensiviert. Konkret soll ein gut zehn Kilometer langer Zaun verstärkt und repariert werden.
Doch auch in Zentraleuropa unterliegt der Personenverkehr neu wieder Restriktionen. So hat Deutschland am Dienstag begonnen, die Grenze zu Österreich wieder zu kontrollieren, nachdem Zehntausende Flüchtlinge ins Land gelangt waren.
Österreich folgte sodann dem deutschen Beispiel. Seit heute kontrolliert nun auch Wien die südlichen und östlichen Grenzen des Landes – als Reaktion auf den Flüchtlingsstrom, der sich nach den Massnahmen Ungarns noch einmal erheblich verstärkt hat.
Deutschland als Zielland
In der Annahme, dass die meisten Flüchtlinge nach Deutschland wollen, bringt die österreichische Polizei die Migranten in Bussen oder Zügen in grenznahe Gebiete. Es hätte ja keinen Sinn, sie nach Vorarlberg oder Tirol zu führen, weil sie ohnehin weiter nach Deutschland wollen, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.
Nach der Einstellung des Zugverkehrs nach München waren am Mittwoch viele Flüchtlinge an den österreichischen Bahnhöfen gestrandet und versuchten, auf eigene Faust nach Deutschland zu gelangen. Allein in Salzburg sollen am Mittwochmittag 2000 Flüchtlinge festgesessen haben. Viele von ihnen wollten die Reise nach Deutschland zu Fuss fortsetzen.
Merkel zeigt sich ungeduldig
Die neuen Entwicklungen in der globalen Flüchtlingskrise werden von den obersten Staatsmännern und -frauen beobachtet. Mit verschiedenen Effekten. Bundeskanzlerin Merkel beharrt auf einem EU-Sondergipfel zur Flüchtlingskrise, zumal sich das Problem mit dem Sondertreffen der EU-Innenminister nicht erledigt habe.