Letzte Woche beschloss der Ständerat, die Schweiz solle gewisse Russland-Sanktionen wieder aufheben. Es geht um die Rechtsberatung für die russische Regierung oder Unternehmen, die ihren Sitz in Russland haben. Rechtsberatung sei ein Grundrecht. Es sei ein Gebot des Rechtsstaats, das sich jede angeklagte Person von einem Anwalt beraten lassen könne, so die kleine Kammer.
Ein EU-Gericht kommt heute aber in der gleichen Frage zu einem anderen Schluss. Es weisst die Klage eines belgischen und eines französischen Anwaltsverbands gegen die EU ab. Diese hatten gegen das Verbot der Rechtsberatung von russischen Staatsangehörigen oder russischen Firmen im Zusammenhang mit den Sanktionen wegen des Angriffskriegs auf die Ukraine geklagt.
Kein Beratungsverbot bei Gerichtsverfahren
So halten die EU-Richter fest, dass die Charta der Grundrechte der Europäischen Union das Recht auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz anerkenne. Dieses Recht werde nicht in Frage gestellt. Denn das in den Russland-Sanktionen auferlegte Verbot erfasse nicht die Rechtsberatungsdienstleistungen im Zusammenhang mit einem Gerichts-, Verwaltungs- oder Schiedsverfahren.
Verboten ist laut dem EU-Gericht nur Rechtsberatung, die keinen Bezug zu einem Gerichtsverfahren hat. Und es wende sich nur gegen die russische Regierung und in Russland niedergelassene Organisationen – nicht aber gegen Privatpersonen.
Wie reagiert das Schweizer Parlament?
Entsprechend stellten die Sanktionen keinen Eingriff in den Schutz des anwaltlichen Berufsgeheimnisses dar, so das EU-Gericht. Und es unterstreicht: Nach Auffassung des Gerichts verfolgt das fragliche Verbot für Rechtsberatung dem Gemeinwohl dienende Ziele, ohne die grundlegende Aufgabe der Anwälte in einer demokratischen Gesellschaft anzutasten.
Diese Beurteilung entkräftet zentrale Argumente, wie sie letzte Woche im Ständerat vorgebracht wurden. Das Geschäft liegt nun beim Nationalrat. Das Urteil des EU-Gerichts ist keinesfalls bindend für die Schweiz. Die Befürworter einer strikten Umsetzung der Russland-Sanktionen finden im Urteil aber wichtige Argumente für die Debatte im eidgenössischen Parlament.