Die Schweiz trägt 14 Sanktionspakete gegen Russland mit. Eines davon verbietet die Steuer- und Rechtsberatung für die russische Regierung sowie für Organisationen, Unternehmen oder Einrichtungen, die in Russland niedergelassen sind. Aus Sicht des Schweizerischen Anwaltsverbandes ist ein solches Verbot höchst problematisch.
Rechtsberatung ist ein Grundrecht, das selbst der schlimmste Kriminelle geniessen kann.
Ebenso für die Rechtskommission des Ständerats. Deren Sprecher, SP-Ständerat und Strafrechtsprofessor Daniel Jositsch, äusserte sich heute so im Rat: «Rechtsberatung ist ein Grundrecht, das selbst der schlimmste Kriminelle geniessen kann. Es ist ein Gebot des Rechtsstaats, dass sich jede angeklagte Person über die eigenen Rechte aufklären und informieren kann.»
Rechtsstaatlicher versus politischer Entscheid
Aufgebracht hatte die Diskussion der Walliser Ständerat Beat Rieder von der Mitte-Partei – auch er ein Rechtsanwalt: «Anwaltliche Beratung ist Teil des rechtlichen Gehörs und durch die Verfassung geschützt. Selbst wenn dem nicht so wäre, ist das rechtliche Gehör in einem Rechtsstaat unverzichtbar. Es hat ja keinen Sinn, Rechte zu statuieren, wenn sich die Betroffenen nicht darüber kundig machen und beraten lassen können.»
Wir entscheiden hier auch politisch. Und wir müssen aussen- und friedenspolitisch eine verlässliche Partnerin sein.
Mit einem Vorstoss verlangt Rieder, dass der Begriff Rechtsberatung aus dem Sanktionstext gestrichen wird und somit nicht mehr verboten wäre. Man könne nicht nur juristisch entscheiden, hielt die Solothurner SP-Ständerätin Franziska Roth dagegen: «Wir entscheiden hier auch politisch. Und wir müssen aussen- und friedenspolitisch eine verlässliche Partnerin sein.»
Roth bedauerte, dass der Ständerat gerade jetzt über das Verbot der Rechtsberatung entscheiden müsse – schliesslich behandle auch der Europäische Gerichtshof EuGH diese Frage – ein Urteil werde für nächste Woche erwartet: «Wir haben uns dem Sanktionspaket angeschlossen und das soll wasserdicht umgesetzt werden. Wenn Klagen hängig sind, sollten wir doch diese abwarten, bevor wir wieder ein Signal an die EU senden: ‹Wir foutieren uns um eure Meinung, wir machen, was wir wollen.›»
Doch Partei-Kollege Daniel Jositsch entgegnete vehement: «Es gibt keine Frage rechtsstaatliche versus politische oder diplomatische Überlegungen. Der Rechtsstaat kann nicht aus politischen Gründen zur Diskussion stehen.»
Parmelin auf verlorenem Posten
Da gelang es auch Wirtschaftsminister Guy Parmelin nicht mehr, den Rat umzustimmen, indem er vor einem verheerenden Signal gegenüber den EU-Ländern warnte, welche die Sanktionen ebenfalls beschlossen hätten. Ein Lockern würde die Schweiz isolieren und wäre somit ein Nachteil für die Schweiz.
Die Meinungen waren gemacht: Mit 34 zu 10 Stimmen hat der Ständerat der Motion Rieder zugestimmt. Als Nächstes befindet der Nationalrat darüber. Stimmt dieser ebenfalls ja, muss der Bundesrat das Verbot der Rechtsberatung aus den Russland-Sanktionen streichen.