- Die 27 EU-Staaten haben sich zu einem Gipfel in Brüssel getroffen. Im Zentrum der Beratungen steht ein Wiederaufbaufonds, welcher der europäischen Wirtschaft aus der Krise helfen soll.
- Die EU-Kommission schlägt vor, dass die EU-Staaten gemeinsam 750 Milliarden Euro an den Finanzmärkten aufnehmen.
- Neben dem Corona-Wiederaufbaufonds wird auch über den mehrjährigen Finanzrahmen der EU bis zum Jahr 2027 beraten.
- Die Verhandlungen dürften harzig werden, denn etliche Punkte sind sehr umstritten. Der Sondergipfel ist für zwei Tage angesetzt.
EU-Ratschef Charles Michel hob gleich zu Beginn des Gipfels die kniffligsten Streitpunkte aufs Programm. Stundenlang ging es um die Frage der Rabatte für grosse Beitragszahler zum EU-Haushalt, um den Umfang des Plans zur wirtschaftlichen Erholung und um die Bedingungen für Krisenhilfen, wie es aus EU-Kreisen hiess.
Merkel rief ihre Kollegen dazu auf, aufeinander zuzugehen. Es bedürfe «wirklich grosser Kompromissbereitschaft aller, damit wir etwas hinbekommen, was für Europa gut ist». Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach vom Moment der Wahrheit und forderte Solidarität und Engagement. «Die nächsten Stunden werden absolut entscheidend sein», sagte Macron.
Die ganze Welt beobachtet Europa, ob wir in der Lage sind, gemeinsam aufzustehen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen pochte ebenfalls auf eine Einigung. Die Menschen erwarteten dies, denn es gehe um ihre Jobs. «Die ganze Welt beobachtet Europa, ob wir in der Lage sind, gemeinsam aufzustehen», fügte sie hinzu. Für 2020 wird ein Einbruch der EU-Wirtschaft um 8.3 Prozent befürchtet.
Italien und Spanien machen Druck
Bei dem Sondergipfel geht es um den Vorschlag, 750 Milliarden Euro an den Finanzmärkten aufzunehmen und das Geld dann in ein Konjunktur- und Investitionsprogramm zur Bewältigung der Wirtschaftskrise zu stecken. Davon sollen 500 Milliarden Euro als Zuschüsse an Krisenstaaten fliessen und 250 Milliarden als Kredite. Verhandelt wird dies im Paket mit dem nächsten siebenjährigen EU-Finanzrahmen, der noch einmal mehr als 1000 Milliarden Euro umfassen soll.
Die von der Pandemie besonders hart getroffenen Länder wie Italien und Spanien würden am meisten profitieren. Sie drängen auf eine rasche Einigung.
Die «Sparsamen Vier» wehren sich
Umstritten sind jedoch nicht nur die Summen, sondern auch das Prinzip der Zuschüsse, die Massstäbe zur Verteilung und die Kontrolle der Verwendung. Bedenken haben vor allem die sogenannten Sparsamen Vier, nämlich Österreich, Schweden, Dänemark und die Niederlande.
Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte verlangte etwa, dass Empfänger Reformen vor der Auszahlung der EU-Hilfen nicht nur zusagen, sondern bereits umgesetzt haben. «Wenn Kredite bis zu einem gewissen Grad in Zuschüsse umgewandelt werden müssen, dann sind Reformen umso wichtiger und die absolute Garantie, dass sie wirklich stattgefunden haben», sagte Rutte.
Österreichs Kanzler Sebastian Kurz sprach ebenfalls von grossen Differenzen, aber sagte: «Wenn man möchte, ist das möglich, eine Lösung zu finden.»
Merkel ist gefordert
Neben den «Sparsamen Vier» haben aber auch andere Länder Vorbehalte und Forderungen. So verlangte Tschechien, unter anderem auch die Autoindustrie beim Wiederaufbau zu fördern. Polen lehnte den Vorschlag ab, EU-Gelder mit Klimazielen oder Auflagen zur Rechtsstaatlichkeit zu verknüpfen. Gegen die Koppelung an Rechtsstaatlichkeit wendet sich auch Ungarn.
Kanzlerin Merkel kommt in den Verhandlungen eine Vermittlerrolle zu, denn Deutschland führt seit dem 1. Juli den Vorsitz der 27 EU-Länder. Den Gipfel leitet jedoch der ständige Ratspräsident Charles Michel.