Die Europäische Union reagiert wegen des anschwellenden Konflikts in Weissrussland nach den hochumstrittenen Wahlen schneller als üblich. Bereits am letzten Freitag entschieden alle 27 EU-Aussenministerinnen und Aussenminister, dass die Europäische Union Sanktionen gegen Personen im nahen Umfeld von Alexander Lukaschenko erlassen soll. Dass sich die Staats- und Regierungschefs bereits am heutigen Sondergipfel für Massnahmen entschieden haben, zeigt die Bedeutung dieses Konflikts für die EU.
Die EU erhöht den Druck auf Lukaschenko
Bereits kurz nach der Wahl gab es kritische Stimmen von EU-Ratspräsident Charles Michel und auch von dem EU-Aussenbeauftragen Josep Borrell, die beide von nicht fairen und freien Wahlen in Weissrussland sprachen.
Mit der heutigen Entscheidung, die Wahlen nicht anzuerkennen, nehmen die Staats- und Regierungschefs eine klare Position ein. Zusätzlich erhöhen sie mit der Ankündigung von baldigen Sanktionen gegen Einzelpersonen den Druck auf Lukaschenko, einem nationalen Dialog mit der Opposition zuzustimmen.
Eine Gratwanderung für die EU
Ratspräsident Charles Michel machte bei der Pressekonferenz ebenfalls deutlich, dass es keine Einmischungen von aussen mit negativen Folgen geben dürfe. Mit seiner Aussage adressiert Michel den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die EU möchte verhindern, dass der russische Präsident militärisch in diesen Konflikt eingreifen könnte. Als ehemalige Sowjetrepublik pflegt Weissrussland viele wichtige Beziehungen zu Russland. Der russische Präsident möchte seinen Einfluss nicht verlieren. Gleichzeitig hat die EU ein Interesse daran, dass sich Weissrussland eher in Richtung Westen als in Richtung Osten bewegt.
Für die EU ist diese Situation eine Gratwanderung. Um Putin nicht unnötig zu provozieren, muss sich der Europäische Rat genau überlegen, wie in Richtung Russland kommuniziert wird. Anders sind die Forderungen aus dem Europäischen Parlament. Fünf Fraktionen fordern Ankündigungen von Sanktionen gegen Russland, sollte Putin sich zu stark in die Konfliktsituation in Weissrussland einmischen. Von solchen Sanktionen war heute bei den Staats- und Regierungschefs aber keine Rede.
Mit den heutigen Entscheidungen am Sondergipfel machen die Staats- und Regierungschefs deutlich, dass sie den Konflikt in Weissrussland – also in jenem Land, dass zwischen der Europäischen Union und Russland liegt –weder Alexander Lukaschenko noch Wladimir Putin überlassen wollen. Mit den heutigen Entscheidungen versucht der Europäische Rat aus jenen Mitteln zu schöpfen, die ihm bei diesem Konflikt in Weissrussland zur Verfügung steht.