Italien will sich von Brüssels Sparkurs verabschieden und mehr finanziellen Spielraum. Von einem Austritt aus der Euro-Zone ist aber nicht mehr die Rede. SRF-Korrespondent Franco Battel macht pragmatische Gründe geltend.
SRF News: Einer der wichtigsten Köpfe der italienischen Rechts-Regierung ist Lega-Chef Matteo Salvini. Er stellte den Euro in Frage. Verfolgt er immer noch diese Linie?
Franco Battel: Nein, heute sprechen Salvini und die anderen Lega-Minister davon, dass man in Europa die Regeln ändern müsse. Italien will mehr finanziellen Spielraum und den Sparkurs abschütteln, den man in Brüssel – auch mit italienischer Zustimmung – beschlossen hat. Die Lega möchte in die Infrastruktur, aber auch in Steuersenkungen investieren und so die Wirtschaft ankurbeln können.
Unternehmer und Sparer wollen keine schwache Lira.
Die italienische Kritik am Euro ist leiser geworden. Warum?
Weil die Lega nie ein einheitlicher Block war. Den Euro aufgeben wollten immer nur wenige. Auch in der italienischen Bevölkerung wäre ein solcher Schritt nicht mehrheitsfähig, dies zeigen alle Umfragen. In der Wählerschaft der Lega gibt es viele Unternehmer. Sie sind froh, dass Italien eine starke und stabile Währung hat. Oder die Sparer. Sie wollen keine schwache Lira, die dauernd an Wert verliert. Insofern überrascht die Abkehr von diesem radikalen Kurs nicht.
Wie sieht es beim Regierungspartner Cinque Stelle aus? Klingt es ähnlich bei Parteichef Luigi di Maio?
Ja. Cinque Stelle hat in der Vergangenheit zeitweilig ein Referendum über den Euro gefordert oder in Aussicht gestellt. Heute heisst es auch hier, niemand wolle aussteigen. Es gehe nur darum, die Regeln an die italienischen Verhältnisse anzupassen.
Um zur Lira zurückzukehren, fehlt ein Plan B.
Eine wichtige Rolle spielt Italiens Europa-Minister Paolo Savona, ein Kritiker Brüssels.
In einem seiner Vorträge tönte er wesentlich milder, die scharfen Töne fehlten. Er meinte, niemand in der Regierung wolle die Euro-Zone verlassen. Es gebe auch keinen Plan B, wie man quasi über Nacht zur Lira zurückkehren könnte. Er plädierte einzig für mehr finanziellen Spielraum, damit Italien mehr investieren kann. Dies scheint derzeit die Linie der italienischen Regierung zu sein.
Lega und Cinque Stelle haben also ihre Meinung nicht geändert, sondern sind nur zahmer geworden?
Ja, in diesem Bereich sind sie aus dem Wahlkampfmodus ausgestiegen und haben sich der Realität angepasst.
Was ist von der neuen italienischen Regierung finanzpolitisch zu erwarten?
Wirtschafts- und Finanzminister Giovanni Tria bekannte sich verschiedentlich zur Budgetdisziplin. Er wolle nicht einseitig die Sparvorgaben aufkündigen. Trotzdem bleiben teure Wahlversprechen im Programm der neuen populistischen Regierungskoalition, etwa Steuersenkungen, ausgebaute Sozialhilfe, tieferes Rentenalter. Aber vieles spricht dafür, dass diese Versprechen auf die lange Bank geschoben werden, weil das Geld dafür fehlt.
Das Gespräch führte Roger Aebli.